Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Versicherungspflicht. Tätigkeit als telefonische Geschäftspartnerin für ein Telekommunikationsunternehmen. Nutzung der eigenen Wohnung und des eigenen Telefons. keine Betriebsmittel. unternehmerisches Risiko. Entscheidungsgrundlage im Statusfeststellungsverfahren

 

Orientierungssatz

1. Die Tätigkeit als telefonische Geschäftspartnerin für ein Telekommunikationsunternehmen unterliegt der Sozialversicherungspflicht, wenn die Geschäftspartnerin von zuhause aus ihre vertraglichen Verpflichtungen nur erfüllen kann, in dem sie sich in das Telekommunikationssystem des Unternehmens einwählt und ihre aktiven Sprechzeiten vom Unternehmen aufgezeichnet werden.

2. Die Nutzung der eigenen Wohnung und des eigenen Telefons sind keine Betriebsmittel. Auch die Initiative für den Erhalt einer eigenen zusätzlichen Telefonnummer in dem Telekommunikationssystem des entsprechenden Unternehmens stellt keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dar.

3. Entscheidungsgrundlage im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB 4 sind allein und ausschließlich die vorgelegten Tatsachen und Unterlagen der Antragsteller. Kann anhand von fehlenden Unterlagen oder wegen fehlender Mitwirkung keine Aussage zB zur Geringfügigkeit einer Beschäftigung getroffen werden, so ist die Entscheidung zur Versicherungspflicht auf der Grundlage allgemeiner Beweisregeln zu treffen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 12 KR 17/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin und Berufungsbeklagte zu 2 (im Weiteren: Klägerin zu 2) aufgrund einer Tätigkeit für die Klägerin und Berufungsbeklagte zu 1 (im Weiteren: Klägerin zu 1) in der Zeit vom 1. November 2000 bis Ende 2005 sozialversicherungspflichtig gewesen ist.

Die Klägerin zu 1 bot in der streitigen Zeit als Einzelfirma unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von Kontakten zu telefonischen Gesprächspartnern an. Nach Angaben der Klägerin zu 1 ist dieses Gewerbe weiterhin angemeldet, ohne es aktiv zu betreiben.

Die Klägerin zu 2, geboren im Jahr 1970, war nach eigenen Angaben in der streitigen Zeit über ihren Ehemann familienversichert und studierte.

Am 6. Juni 2001 beantragten die Klägerinnen bei der Beklagten (frühere Bezeichnung: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) die Feststellung, dass die Klägerin zu 2 aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Klägerin zu 1 und der Firma UM. GmbH in F-Stadt nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Dazu führte die Klägerin zu 2 aus, sie sei als Telefonistin ab Oktober bzw. November 2001 tätig, setze kein eigenes Kapital ein, die Preisgestaltung werde von den Auftraggebern durchgeführt und es erfolge keine eigene Werbung. Ergänzend legte sie den mit der Firma UM. GmbH am 29. Oktober 2000 geschlossenen Vertrag und Auszüge des mit der Klägerin zu 1 am 11. November 2000 geschlossenen Vertrags (auszugsweise) vor.

In dem zwischen den Klägerinnen geschlossenen Vertrag verpflichtete sich die Klägerin zu 2 als telefonische Gesprächspartnerin für die Klägerin zu 1 tätig zu werden.

Nach diesem Vertrag erhielt die Klägerin zu 2 ausschließlich für die Zeiten eine Vergütung, in denen sie gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern für das System des Telekommunikations-Service der Klägerin zu 1 führte. Demgegenüber erhielten sie keine Vergütung für Zeiten, in denen sie zwar im System des Telekommunikationsservice aktiviert, jedoch keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufern über dieses System führte (§ 3 des Vertrags). Die Klägerin zu 2 war nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen, es stand ihr frei, sich der Hilfe von Erfüllungsgehilfen zu bedienen. In diesem Fall bestanden für die Klägerin zu 2 eine Anzeigepflicht sowie eine persönliche Haftung für Vertragsverletzungen der Erfüllungsgehilfen (§ 4 des Vertrages). Es wurde darüber hinaus ein Recht der Klägerin zu 2 vereinbart, für Dritte tätig zu sein (§ 5 Abs. 1 des Vertrages). Weiter heißt es in § 5 Abs. 2 und 3 des Vertrages: "Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freie Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien Mitarbeitervertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist." Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtete sich die Klägerin zu 2 ein Gewerbe als Telekommunikations-Agentur anzumelden, bei dem zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, w...

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