Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Höhe. Einkommensermittlung. Bemessungszeitraum. Berücksichtigung von steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Nichtberücksichtigung von steuerfreien Anteilen für Altersvorsorge und Direktversicherung

 

Orientierungssatz

1. Es ist mit dem Sinn und Zweck der Regelungen des BEEG nicht vereinbar, bei dem für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes maßgeblichen Einkommen des Berechtigten aus nichtselbstständiger Arbeit, die im Bemessungszeitraum erhaltenen steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Zuschläge einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am maßgeblichen Einkommen haben (hier: 10% des Bruttoeinkommens bzw 15% des Nettoeinkommens).

2. Nicht bei der Berechnung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen sind die vom Arbeitgeber geleisteten steuerfreien Beitragszahlungen zur Altersvorsorge und Direktversicherung (vgl BSG vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 3).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.04.2012; Aktenzeichen B 10 EG 3/11 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Mai 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die steuerfreien Anteile für Altersvorsorge und Direktversicherung bei der Berechnung des Elterngeldes unberücksichtigt bleiben.

II.Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des für die Zeit vom 20. März 2007 bis 19. Januar 2008 zu zahlenden Elterngeldes streitig. Dabei ist insbesondere streitig, ob für die Berechnung des Elterngeldes steuerfreie Anteile des Einkommens des Klägers zu berücksichtigen sind.

Der Kläger und seine Ehefrau sind Eltern der 2007 geborenen Drillinge L., F. und M. Sie stellten am 23. April 2007 Antrag auf Elterngeld und legten für den Kläger einen Bezugszeitraum vom 20. März 2007 bis 19. März 2008 und für seine Ehefrau einen Bezugszeitraum vom 20. März 2008 bis 19. Mai 2008 fest. Ergänzend legte der Kläger, der bei der Firma X. in A-Stadt beschäftigt ist, Gehaltsabrechnungen für die Monate Februar 2006 bis Februar 2007 vor.

Durch Bescheid vom 27. April 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger das beantragte Elterngeld für die Zeit vom 20. März 2007 bis 19. Januar 2008 in Höhe von jeweils 1.635,44 € monatlich und führte aus, für die Zeit vom 20. Januar 2008 bis 19. März 2008 könne unter Berücksichtigung des von der Ehefrau bezogenen Mutterschaftsgeldes in den ersten vier Lebensmonaten der Kinder kein Elterngeld gewährt werden. Bei der Höhe des Elterngeldes sei von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.545,44 € ausgegangen worden. Das Elterngeld betrage hiervon 67%. Hinzuzurechnen seien bei Mehrlingsgeburten je 300,00 € für das zweite und jedes weitere Kind.

Der Kläger erhob Widerspruch am 24. Mai 2007 und machte geltend, bei der Berechnung des Elterngeldes seien die Zuschläge für Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit nicht als regelmäßiges Einkommen berücksichtigt worden. Er arbeite seit vier Jahren ausschließlich in Nachtschicht, so dass sein regelmäßiges Einkommen wesentlich aus den Zuschlägen bestehe. Auch nach dem Einkommensteuerrecht zählten Zuschläge und Zulagen zu dem laufenden Arbeitslohn und seien nicht als sog. sonstiger Bezug anzusehen. Demgemäß seien diese bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, Zulagen für Nachtschicht und Sonn- und Feiertagsschicht seien gemäß § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfreie Bezüge. Steuerfreie Einnahmen würden jedoch bei der Berechnung des Elterngeldes nicht als Einkommen berücksichtigt, ohne dass es auf die Frage ankomme, ob sie sonst als Einkommen aus Erwerbstätigkeit anzusehen seien.

Mit der am 5. Juli 2007 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er trug vor, er sei bis zur Geburt der Drillinge überwiegend in Nachtschicht beschäftigt gewesen, so dass die entsprechenden Zulagen auch bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werden müssten. Die von dem Beklagten vorgenommene Auslegung des Gesetzes sei unzutreffend. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 7 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) werde das Einkommen aus Erwerbstätigkeit aus der Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 4 EStG ermittelt, wobei Einmalzahlungen gemäß § 2 Abs. 7 BEEG nicht zu berücksichtigen seien. Der Verweis auf § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 4 EStG diene lediglich zur Definition von Einkommen unter Abgrenzung der verschiedenen Einkommensarten. Welche Einkommensbestandteile bei der Ermittlung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen seien, bestimme abschließend § 2 Abs. 7 BEEG....

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