Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Grundsicherungsträgers gegenüber dem Rentenversicherungsträger. Arbeitslosengeld II-Bezug. Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Übergangsmonat. "rechtzeitige Erfüllung der Leistungsverpflichtung" iS von § 104 Abs 1 S 2 SGB 10. Rentenzahlung für den ersten Monat unter Beachtung des § 118 Abs 1 S 1 SGB 6. Fälligkeit von Leistungen. Übereinstimmung des Anspruchs- und Bezugszeitraums

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung iS des § 104 Abs 1 S 2 SGB X hängt nicht von der Fälligkeit der Leistung ab, sodass ein Rentenversicherungsträger dem nachrangigen Grundsicherungsträger auch dann zur Erstattung verpflichtet ist, wenn er die Rentenzahlung für den ersten Monat gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGB VI zum Monatsende erbringt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Juni 2022 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an ihn 359,84 € zu zahlen.

II. Die Beklagte hat für beide Rechtszüge die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 359,84 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) erbrachter Leistungen in Höhe von 359,84 €.

Die Versicherte A., geboren 1961, beantragte zusammen mit dem 1953 geborenen B. (im Folgenden: Leistungsempfänger) beim Kläger am 23. Oktober 2016 Leistungen nach dem SGB II. Während die Versicherte damals eine Witwenrente in Höhe von 513,31 € monatlich und bis zum 3. Januar 2017 Arbeitslosengeld bezog, erhielt der Leistungsempfänger eine Unfallrente in Höhe von 307,85 € monatlich.

Am 27. Dezember 2016 stellte die Versicherte bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI).

Nachdem der Kläger von dem Rentenantrag Kenntnis erlangt hatte, meldete er bei der Beklagten mit Schreiben vom 20. Januar 2017 einen Erstattungsanspruch an. Mit Bescheid vom 26. Januar 2017 bewilligte der Kläger der Versicherten und dem Leistungsempfänger sodann Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. September 2017 in Höhe von insgesamt 269,52 € (für Januar 2017) und 359,84 € monatlich (ab Februar 2017). Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 8. Februar 2017 mit, den Erstattungsanspruch dem Grunde nach anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 26. April 2017 bewilligte die Beklagte der Versicherten aufgrund eines am 26. Oktober 2016 eingetretenen Leistungsfalles befristet für die Zeit vom 1. Mai 2017 bis 30. April 2020 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 509,25 €. Hierüber setzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben ebenfalls vom 26. April 2017 in Kenntnis, wobei sie darauf hinwies, dass die Rente für den jeweiligen Monat am Monatsende ausgezahlt werde.

Im Anschluss an ein Telefonat mit der Beklagten machte der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2017 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 359,84 € für den Monat Mai 2017 zuzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung geltend.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juni 2017 mit, dass aus dem Rentenbescheid vom 26. April 2017 kein Nachzahlungsanspruch zur Verfügung stehe.

Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 2017, dass der Beklagten bei Rentenauszahlung bekannt gewesen sei, dass ein Erstattungsanspruch bestehe. Im Zeitpunkt der Mitteilung vom 26. April 2017 seien die Leistungen nach dem SGB II für Mai 2017 hingegen bereits „verarbeitet“ gewesen, sodass eine Anrechnung der Rente als Einkommen nicht mehr möglich gewesen sei. Die Mitteilung über die Rentengewährung sei zu kurzfristig erfolgt, weshalb die Beklagte zumindest die Rentenzahlung für Mai 2017 hätte einbehalten müssen.

Mit Schreiben vom 9. August 2017 antwortete die Beklagte, der Versicherten nicht rückwirkend Rente gewährt zu haben, sodass keine Nachzahlung entstanden sei und demgemäß auch keine Erstattung erfolgen könne.

Der Kläger wies mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 darauf hin, anlässlich des Telefonats am 4. Mai 2017 von der Beklagten die Information erhalten zu haben, dass die Rente erst am Monatsende gezahlt würde und daher ein Erstattungsanspruch noch beziffert werden könne. Für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs komme es nicht auf eine rückwirkende Leistungsbewilligung an, sondern auf übereinstimmende Anspruchszeiträume. Als er die SGB II-Leistungen für Mai 2017 gezahlt habe, habe er keine Kenntnis von der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente gehabt. Demgegenüber sei der Beklagten mit der Anmeldung des Erstattungsanspruchs bekannt gewesen, dass die Versicherte Leistungen nach dem SGB II beziehe. Die Beklagte habe die Erstattung am 4. Mai 2017 zugesichert. Sie sei daher berechtigt und verpflichtet gewesen, dem Rentenanspruch der Versicherten für den Monat Mai 2017 die Erfüllungswirkung entgegenzuhalten. Des Weitere...

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