Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibeträgen bei der Ermittlung des für die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts

 

Orientierungssatz

Im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten sowie unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Bemessungsgrundlage ist es sachgerecht, auch bei der Ermittlung des für die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibeträge zu berücksichtigen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 31. Mai 1991 aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 29. Dezember 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1989 verpflichtet worden ist, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zu den Anschaffungskosten des von ihm erworbenen Kraftfahrzeuges erneut zu bescheiden.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der Kosten des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist (noch), ob der Kläger im Rahmen der Gewährung von Kraftfahrzeughilfe Anspruch auf einen Zuschuß zu den Anschaffungskosten sowie auf Übernahme der Kosten für die Servolenkung und einen stärkeren Motor des von ihm erworbenen Neuwagens hat.

Der 1947 geborene ledige Kläger leidet an einer schweren angeborenen Arthrogryposis (Krummgelenkigkeit) mit extremer Klumpfußbildung beidseits und verminderter Greiffähigkeit beider Hände. Wegen dieses Leidens ist der Kläger mit einem Grad der Behinderung von 100 v.H. sowie mit den Merkzeichen G, aG, H und RF als Schwerbehinderter anerkannt. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist ihm nicht zumutbar.

Der Kläger war vom 1. April 1963 an angestelltenversicherungspflichtig erwerbstätig. Die Beklagte bewilligte ihm von 1972 an, zuletzt durch Bescheid vom 25. Mai 1982, die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe in gesetzlichem Umfang.

Am 10. Oktober 1988 stellte der Kläger über das Arbeitsamt Wiesbaden bei der Beklagten den (hier maßgeblichen) letzten Antrag auf Gewährung von Kraftfahrzeughilfe für die Anschaffung eines Opel Vectra CD 2,0 l mit 115 PS zum Preise von 29.750,00 DM zuzüglich 1.675,00 DM Aufpreis für eine Getriebeautomatik. Er legte ein schriftliches Angebot des Autohauses C. vom 4. November 1988 vor, ausweislich dessen im Kaufpreis des Fahrzeugs eine Servolenkung im Wert von 995,00 DM enthalten war. Der Arbeitgeber des Kläger gab in einer von der Beklagten angeforderten Verdienstbescheinigung vom 14. Dezember 1988 an, daß der Nettoverdienst des Klägers (nach Abzug der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge) sich monatlich auf 2.367,68 DM belaufe.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin durch Bescheid vom 29. Dezember 1988 mit, daß ein Zuschuß zum Kaufpreis des Neuwagens nicht gewährt werden könne, weil sein monatliches Nettoeinkommen die gesetzliche Einkommensgrenze von 2.310,00 DM überschreite. Durch weiteren Bescheid vom 29. Dezember 1988 übernahm die Beklagte Kosten für das aufpreispflichtige Automatikgetriebe und lehnte gleichzeitig eine Kraftfahrzeughilfe für die Servolenkung ab, weil diese zur serienmäßigen Ausstattung des Fahrzeugs gehöre.

Der Kläger erhob gegen Bescheide am 17. Januar 1989 Widerspruch. Er machte geltend, daß sein monatliches Nettoeinkommen die gesetzliche Einkommensgrenze nur deshalb übersteige, weil auf seiner Lohnsteuerkarte 1988 ein monatlicher Freibetrag in Höhe von 963,00 DM für Werbungskosten (Fahrkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Fachliteratur, Kontoführungsgebühren-Pauschale usw.) sowie für außergewöhnliche Belastungen eingetragen sei, der zu einer um etwa 300,00 DM bis 400,00 DM niedrigeren monatlichen Steuerbelastung führe. Das sich infolgedessen ergebende höhere Nettogehalt entspreche allerdings auf keinen Fall dem tatsächlich verfügbaren Nettoeinkommen, weil hiervon ja vorab die Werbungskosten und der Aufwand für die außergewöhnliche Belastung bestritten werden müßten. Der Lohnsteuerfreibetrag dürfe deshalb im Rahmen der Einkommensprüfung nicht berücksichtigt werden. Außerdem beanstandete der Kläger, daß die Mehrkosten für den 2,0 l Motor sowie für die Servolenkung nicht übernommen worden seien. Den größeren Motor habe er nur deshalb bestellt, weil für die schwächeren Motorversionen die von ihm benötigte Getriebeautomatik nicht lieferbar sei. Die Servolenkung gehöre beim Opel Vectra nicht generell zur serienmäßigen Ausstattung, sondern sei nur in der von ihm bestellten CD-Version ohne Aufpreis enthalten.

Die Beklagte nahm durch Bescheid vom 9. Februar 1989 eine Neuberechnung des Zuschusses für die Kosten des Automatikgetriebes vor und wies den Widerspruch des Klägers sodann durch Widerspruchsbescheid vom 31. März 1989 als unbegründet zurück.

Der Kläger erhob daraufhin am 25. April 1989 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden. Im Verlaufe...

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