Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschaftsgeld bei ruhendem Arbeitsverhältnis. Beschäftigungsverhältnis. Arbeitsverhältnis. Beurlaubung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld besteht auch aus einem Arbeitsverhältnis, dessen Hauptpflichten wegen einer Beurlaubung nach § 50 Abs. 2 BAT ruhen.

 

Normenkette

RVO § 200 Abs. 1; MuSchG §§ 1, 3, 13; BAT § 50 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 08.11.1988; Aktenzeichen S - 10/Kr - 106/88)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.04.1991; Aktenzeichen 1/3 RK 26/89)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 8. November 1988 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Mutterschaftsgeld.

Die am … 1954 geborene Klägerin ist seit 1. August 1971 Verwaltungsangestellte bei der Stadt K. Anläßlich der Geburt ihre ersten Kindes war sie vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1987 beurlaubt. Im Anschluß daran nahm sie ihre Beschäftigung bei der Stadt K. ab 1. Juli 1987 wieder auf. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt erneut schwanger war und der ärztlich bescheinigte Geburtstermin voraussichtlich am 25. September 1987 sein sollte, beendete die Klägerin mit Beginn der Mutterschutzfrist am 13. August 1987 ihre Arbeitstätigkeit.

Am 14. Juli 1987 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen die Bewilligung von Mutterschaftsgeld. Diese gab den Vorgang zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter.

Mit Bescheid vom 24. September 1987 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin tatsächlich nur vom 1. Juli 1987 bis 13. August 1987 Arbeitsleistungen erbracht habe. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müsse aber neben dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bei Beginn der Schutzfrist in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat, einschließlich dieser Monate, vor der Entbindung für mindestens 12 Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden haben. Diese Voraussetzungen lägen bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis nicht vor, da für die Klägerin hieraus weder Rechte noch Pflichten bestanden hätten. Der Arbeitgeber sei nach Ablauf der Ruhenszeit nur zur Wiederbeschäftigung verpflichtet gewesen.

Hiergegen legte die Klägerin mit am 6. Oktober 1987 eingegangenem Schreiben Widerspruch ein, da es nach dem Wortlaut der gesetzlichen Anspruchsnorm nur auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, nicht aber darauf ankomme, ob dieses tatsächlich durch Arbeitsleistung ausgefüllt werde oder ruhe. Etwas anderes könne nur bei mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Mutterschaftsgeldes gelten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspmchsbescheid vom 18. Januar 1988 zurück. Ausgehend vom Entbindungstag am 4. Oktober 1987 sei die Klägerin in der maßgeblichen Rahmenfrist vom 4. Dezember 1986 bis 3. Juli 1987 nicht krankenversicherungspflichtig gewesen und habe auch nicht in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 200 RVO gestanden, da die gegenseitigen Hauptpfichten aus dem Arbeitsverhältnis für die Zeit der Beurlaubung suspendiert gewesen seien. Bei Einführung der gesetzlichen Bestimmung sei der Anspruch zum Schutz vor ungerechtfertigtem Bezug des hohen Mutterschaftsgeldes davon abhängig gemacht worden, daß zwischen dem 10. und dem 4. Monat vor der Entbindung in gewissem Umfang entweder ein Arbeitsverhältnis oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestanden habe. Die Aufnahme von Versicherungspflichtigen Beschäftigungen während der Schwangerschaft habe verhindert werden sollen. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 22. Februar 1982, Az. 3 RK 61/69 entschieden, daß nur ein Arbeitsverhältnis, das vom Beschäftigungsverbot des Mutterschutzgesetzes betroffen werden könne, einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld begründen könne. Durch die Beurlaubung habe sich die Klägerin hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Absicherung so weit von ihrem Arbeitsverhältnis entfernt, daß sie zu dem Personenkreis gezählt werden müsse, der von vornherein vom Bezug des Mutterschaftsgeldes ausgeschlossen werden solle.

Auf die am 2. Februar 1988 beim Sozialgericht Kassel erhobene Klage hat das Sozialgericht die Beklagte durch Urteil vom 8. November 1988 verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß das wegen der Beurlaubung ruhende Arbeitsverhältnis der Zahlung von Mutterschaftsgeld nicht entgegenstehe.

Gegen dieses der Beklagten am 29. November 1988 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1988 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 19. Dezember 1988 – eingelegte Berufung, mit der die Beklagte die Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage begehrt. Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihren Vortrag aus dem Klageverfahren. Sie vertri...

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