Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4105. medizinische Voraussetzung. Pleuramesotheliom. wahrscheinliches Mesotheliom der Kategorie B des Europäischen Mesotheliompanels. Anforderungen an den Vollbeweis

 

Leitsatz (amtlich)

Das Vorliegen eines Pleuramesothelioms gilt medizinisch auch dann als gesichert, sofern ein wahrscheinliches Mesotheliom der Kategorie B des Europäischen Mesotheliompanels vorliegt. Auch der juristische Vollbeweis im Sinne der vollen richterlichen Überzeugung ist in diesem Fall erbracht. Die Anforderungen an den juristischen Vollbeweis gehen bei der Feststellung medizinischer Tatsachen grundsätzlich nicht über den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft hinaus.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. März 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 (Mesotheliom - Tumor - des Rippenfells durch Asbest) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Die Klägerin ist die Witwe des 1934 geborenen und 2011 verstorbenen Versicherten D. A. Dieser war von 1948 bis 1993 als Schlosser, später Elektriker bei E. im Werk F. beschäftigt und bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Erstmals am 12. Juli 2011 ging bei der Beklagten eine Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige der A. Kliniken, Bad S., ein. Die Beklagte leitete ein Verwaltungsverfahren ein, nahm telefonisch Kontakt mit dem Versicherten auf und befragte diesen insbesondere zum beruflichen Werdegang und seinem Umgang mit belastenden Materialien. Der Versicherte gab darin an, er habe Asbestplatten schneiden müssen und habe Lötarbeiten mit Asbestband in größerem Umfang durchgeführt. Aufgrund dessen führte die Beklagte Ermittlungen wegen der Schwere der Erkrankung des Versicherten durch. Sie zog einen Arztbrief des Prof. Dr. G., Thoraxzentrum der Klinik für Thorax- und Gefäßchirurgie, Klinik Bad B. GmbH vom 18. Juli 2011 bei, in dem mitgeteilt wird, der histologische Befund nach Operation am 1. Juni 2011 (parietale totale Pleurektomie rechts) spreche für ein Pleuramesotheliom, ebenso die immunhistochemische Untersuchung durch Dr. H., Labor für Pathologie, Bad B./Thüringen, vom 7. Juli 2011, weitere konsiliarische Beurteilungen würden nach Vorstellung des Materials indes andere Diagnosen favorisieren. So nehme Prof. Dr. J., Institut für Pathologie ...-Universität B... eher ein epitheloides Angiosarkom an (Bericht vom 21. Juni 2011), während Prof. Dr. I., Konsultations- und Referenzzentrum für Weichgewebstumoren am Institut für Pathologie, U...klinikum J..., die Diagnosen sarkomatoides Karzinom bzw. die Metastase eines solchen Tumors diskutiere (Berichte vom 5. Juli 2011, 8. Juli 2011).

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV ab. Die beruflichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 seien nach den Feststellungen im Verwaltungsverfahren zwar gegeben. Der Versicherte sei während seiner Beschäftigungszeit im Bergbau einer Asbestbelastung ausgesetzt gewesen. Die Berufskrankheit nach Nr. 4105 sei indes nicht nachgewiesen. Insbesondere nach den Befunden der Institute für Pathologie des Universitätsklinikums J. und der Universität B. sei ein malignes Mesotheliom nicht im Vollbeweis gesichert.

Die Tochter des Versicherten erhob für ihren Vater am 14. November 2011 Widerspruch und teilte mit, ihr schwer erkrankter Vater liege im künstlichen Koma. Am 23. November 2011 teilte sie der Beklagten telefonisch mit, ihr Vater sei am xx. xxx 2011 verstorben und am xx. xxx 2011 beigesetzt worden. In dem Gespräch erbat die Beklagte eine Vollmacht für die Ehefrau des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin und die Anschrift des Krankenhauses, in dem der Versicherte verstorben war (Telefonvermerk vom 23. November 2011). Die Beklagte zog die Krankenakte des Versicherten vom Klinikum Bad H. bei, in der sich u. a. ein pathologisch-anatomisches Gutachten von Dr. K., Institut für Pathologie und Zytologie M..., befindet sowie ein Bericht des Chefarztes Dr. L., Klinik für Innere Medizin, vom 2. Mai 2011, in dem die Beschwerden des Klägers laut Anamnese sowie Untersuchungsbefunde vom 1. April 2011 und die Ergebnisse der im April 2011 dort durchgeführten bildgebenden Verfahren (Rö-Thorax und Thoraxangio-CT) mitgeteilt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin des Versicherten am 25. Mai 2012 Klage beim dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) erhoben. Sie ist der Ansicht, bei ihrem verstorbenen Ehemann lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 vor.

Das Sozialgericht h...

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