Entscheidungsstichwort (Thema)

originäre Arbeitslosenhilfe. Aufhebung der Bewilligung. Befristung. Übergangsregelung. Rückwirkung von Gesetzen. Wille des Gesetzgebers. Vertrauensschutz. Eigentumsgarantie

 

Leitsatz (amtlich)

§§ 135 a, 242 q Abs. 10, 110 AFG sind nach der Gesetzessystematik dahin auszulegen, daß am 1. April 1994 rückschauend geprüft wird, ob der Bezieher von originärer Arbeitslosenhilfe bereits für 312 Tage die Leistung erhalten hat. Dem entspricht auch der Wille des Gesetzgebers, eine Übergangsregelung nur für 3 Monate zu schaffen.

Soweit damit in Leistungsbewilligungen über den 31. März 1994 hinaus eingegriffen wird, liegt eine zulässige unechte Rückwirkung des Gesetzes vor.

Ein Bescheid, mit dem unter Hinweis auf das 1. SKWPG das vorzeitige Ende der bewilligten Arbeitslosenhilfe-Leistung zum 31. März 1994 mitgeteilt wird, ist i.S. einer Aufhebung nach § 48 SGB X zu verstehen.

 

Normenkette

AFG §§ 135 a, 242q Abs. 10, § 110; 1. SKWPG; SGB X § 48; GG Art. 14

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 21.09.1994; Aktenzeichen S-11/Ar-272/94)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 21. September 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung sog. originärer Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. April 1994 an, unter Berücksichtigung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogrammes (1. SKWPG).

Der 1941 geborene Kläger ist Diplomchemiker, der nach seinen Angaben nach seinem Examen lediglich von 1978 bis 1982 Gelegenheitsarbeiten an der Technischen Universität … verrichtet hat. Am 1. Dezember 1982 begann der Kläger in der Praxis eines Patentanwaltes in … gegen ein monatliches Bruttogehalt von DM 2000,– ein Arbeitsverhältnis mit dem Ziel, Patentanwalt zu werden. Der Patentanwalt kündigte das Arbeitsverhältnis (als Patentsachbearbeiter) zum Ablauf der Probezeit am 31. Mai 1983. Seit 1. Juni 1983 stand der Kläger bei der Beklagten im Leistungsbezug von Arbeitslosenhilfe.

Mit Bescheid vom 4. Juni 1993 bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich DM 340,80 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnittes am 31. Mai 1994. Mit Änderungsbescheid vom 11. Januar 1994 mit Wirkung ab 1. Januar 1994 wurde die Höhe der Leistung auf DM 316,80 herabgesetzt unter Hinweis auf die Leistungsverordnung 1994.

Mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 1994 wurde die Arbeitslosenhilfe begrenzt bis 31. März 1994 und hierfür folgende Begründung gegeben:

„Durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogrammes wurde die Dauer des Anspruchs auf originäre Arbeitslosenhilfe auf längstens 312 Tage begrenzt. Diese Anspruchsdauer haben Sie ausgeschöpft. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe besteht nach dem 31.03.1994 nicht mehr. Diese Entscheidung beruht auf § 135 a i.V. mit § 242 q Abs. 10 AFG,”

Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 1994 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe am 1. Juni 1983 einen Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe erfüllt (kein Vorbezug von Arbeitslosengeld) und seitdem Arbeitslosenhilfe bezogen. Somit sei die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe von 312 Tagen am 1. Januar 1994 bereits verbraucht gewesen. § 135 a AFG sei bis 31. März 1994 im Rahmen der Übergangsregelung des § 242 q Abs. 10 AFG nicht anzuwenden und der Kläger könne Arbeitslosenhilfe bis längstens 31. März 1994 erhalten.

Hiergegen hat der Kläger am 31. März 1994 Klage erhoben, die das Sozialgericht Wiesbaden am 21. September 1994 abgewiesen hat. Das Sozialgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe der Entscheidung die einfachgesetzliche Rechtslage zutreffend zugrundegelegt, deshalb werde darauf verwiesen. Die vorliegend anzuwendenden gesetzlichen Regelungen seien auch nicht verfassungswidrig. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt, da ein wesentlicher Unterschied bestehe zwischen den Empfängern von originärer Arbeitslosenhilfe und Anschluß-Arbeitslosenhilfe, da letztere die höheren versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten und mit § 135 a AFG die vorrangige Funktion der Arbeitslosenhilfe als Ergänzung zum Arbeitslosengeld-Anspruch nach dessen Erschöpfung betont werde. Dies bedeute einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung, ohne daß es darauf ankäme, daß damit die gerechteste Lösung gefunden worden sei.

Gegen das ihm am 17. November 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Dezember 1994 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, die Bezieher von Anschluß-Arbeitslosenhilfe und originärer Arbeitslosenhilfe würden durch § 135 a AFG ungleich behandelt, obwohl bei beiden die gleichen Voraussetzungen bestünden, nämlich Verfügbarkeit und Bedürftigkeit. Ein sachlicher Grund dafür, daß der „originäre Arbeitslose” die Arbeitsl...

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