Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeitergeld. erheblicher Arbeitsausfall. Vermeidbarkeit. betriebsüblich. produktimmanenter Umstand

 

Orientierungssatz

Betriebsüblich iS von § 169 Abs 4 S 2 Nr 1 SGB 3 können auch solche Ursachen sein, die produktimmanent sind. Der Gesetzeswortlaut enthält keine Beschränkung auf lediglich rein technische Abläufe in einem Betrieb.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen B 7a AL 10/05 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) ab 1. März 1998 im Streit.

Der Betrieb der Klägerin wurde im Jahr 1922 gegründet. Sein Gegenstand ist die Herstellung und der Vertrieb von medizinischen Rheumabandagen, die aus Katzenfellen hergestellt werden. Ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten zeigte die Klägerin erstmals am 14. Februar 1989 Kurzarbeit für damals noch 9 Mitarbeiter an. Zur Begründung wurde ausgeführt, unberechtigte Veröffentlichungen von Tierschutzgruppen über die Fellgewinnung und der Abdruck in der Bildzeitung und ähnlichen Presseorganen hätten die Verbraucher verunsichert. Wie sich aus dem Prüfbericht der Beklagten vom 20. März 1989 (Blatt 25 der Verwaltungsakte - Band I) ergibt, wurde seitens der Klägerin dazu dargelegt, dass die Tierschutzproblematik bereits 15 Jahre zuvor erkannt worden sei, weshalb man sich auf den Einkauf von Rohfellen beschränkt habe, die nachweislich eines natürlichen Todes gestorben seien oder z.B. in China der Lebensmittelgewinnung dienten. Man habe sich gegen die falsche Berichterstattung juristisch mit Erfolg wehren können. Die Beklagte gewährte in der Folgezeit bis zum 31. Dezember 1989 Kug.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 1989 teilte die Klägerin mit, die Situation in der Pelzbranche habe dramatische Formen angenommen, so dass man zwingend darauf angewiesen sei, für die Zeit der notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen Kurzarbeit für weitere 6 Monate zu beantragen. Beigefügt war ein Beschluss des Amtsgerichts Bad Homburg vor der Höhe vom 5. Oktober 1989, demzufolge dort am 4. Oktober 1989 die Eröffnung des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses beantragt worden und der Rechtsanwalt U K zum Vergleichsverwalter bestellt worden sei. Nach Rücknahme dieser Anzeige erfolgte eine erneute Anzeige von Kurzarbeit mit Schreiben vom 8. März 1990 für 8 Mitarbeiter und dem Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 1990; betroffen war die Näherei in S. Aufgrund eines umfangreichen Prüfvermerks vom 21. Mai 1990 (vgl. Blatt 105 ff. der Verwaltungsakte - Band I) entschied die Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung am 22. Mai 1990, dass keine Bedenken gegen die Gewährung von Kug bestünden, welches sodann für den Zeitraum vom 1. Mai 1990 bis zum 30. September 1990 bewilligt wurde. Nach erfolgreicher Beendigung des Vergleichsverfahrens zeigte die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 1991 erneut den Eintritt von Kurzarbeit ab dem 1. April 1991 an, jedoch stellte die Beklagte auf telefonische Anfrage am 25. April 1991 fest, dass es tatsächlich nicht dazu gekommen war. Ebenso verhielt es sich mit einer weiteren Anzeige vom 21. Mai 1991 betreffend den Zeitraum ab 1. Juni 1991 (laut Telefonvermerk vom 23. Juli 1991). Aus den Akten ist u.a. dazu ersichtlich, dass der Vertrieb der Klägerin vom Fachhandel auf Direktvertrieb umgestellt wurde.

In den Folgejahren kam es zur Genehmigung von Kug noch in den Zeiträumen vom 4. Mai 1992 bis zum 30. August 1993, vom 1. Juni 1994 bis zum 30. September 1995 und vom 9. April 1996 bis zum 31. Oktober 1996. Dabei gab die Klägerin hinsichtlich dieser Zeiträume am 3. April 1992 an, sie sei zur Kurzarbeit gezwungen, da sich zwei Hauptkunden in innerbetrieblichen Umstrukturierungen befänden, was für sie Lieferstopp bedeute, außerdem habe sich der Rauchwarenhandel - wie aus den Ergebnissen der Pelzmesse in F ersichtlich - noch nicht wieder erholt; am 4. Mai 1994 wurde mitgeteilt, ein vorläufiger Lieferstopp eines Auftraggebers sowie Probleme mit dem Tierschutz seien ursächlich, und am 27. April 1995 sowie 3. April 1996 wurde auf Probleme mit der Tierschutzszene hingewiesen. Der Bescheid vom 20. Mai 1996, mit welchem letztmalig die Bewilligung der beantragten Leistung erfolgte, enthielt den Hinweis, mit einer erneuten Gewährung des Kug könne nicht mehr gerechnet werden, sofern künftig ein Arbeitsausfall aus vergleichbaren Ursachen zum annähernd gleichen Zeitpunkt eintrete. Diesem Hinweis lagen eine erneute Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen sowie eine erneute Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin zugrunde. Im Prüfvermerk vom 8. Mai 1996 wurde dazu u.a. festgestellt, auch der erneut im Jahre 1996 eingetretene Auftragsmangel und Arbeitsausfall sei im Zusammenhang mit dem unverändert fortbestehenden Imageproblem des hergestellten Produktes ...

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