Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Beurteilungsspielraum bei der Genehmigung einer Zweigpraxis. Verbesserung der Versorgung. Versorgungsbedarf eigener Art bei der Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Entscheidung, ob die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort verbessert und ob die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird, hat die mit der Entscheidung über die Genehmigung bzw. Ermächtigung der Zweigpraxis befasste Behörde (hier der Zulassungsausschuss) einen Beurteilungsspielraum (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R = BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3 und BSG vom 9.2.2011 - B 6 KA 3/10 R = BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2, B 6 KA 7/10 R = SozR 4-5520 § 24 Nr 5, B 6 KA 12/10 R = SozR 4-5520 § 24 Nr 6 und B 6 KA 49/09 R = SozR 4-5525 § 24 Nr 1). Die Ausübung dieser Beurteilungsermächtigung ist nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar.

2. Eine "Verbesserung der Versorgung" iS des § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 Ärzte-ZV durch die Genehmigung einer Zweigpraxis ist nach der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung im Falle von Unterversorgung stets als Versorgungsverbesserung anzusehen, während andererseits (in ausreichend versorgten Gebieten) das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers - ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl - noch keine Verbesserung der Versorgung darstellt, wie sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV erschließt. Bedarfsplanungsgesichtspunkte für den Ort der Zweigpraxis spielen dabei keine Rolle.

3. Die Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen bedarf der besonderen Genehmigung nach § 121a SGB 5, die in Hessen der Zuständigkeit der Landesärztekammer Hessen unterfällt. Der hiermit normierte Genehmigungsvorbehalt ist neben dem Wirtschaftlichkeitsgebot einer besonderen Bedarfsgerechtigkeit verpflichtet, die eine unter Versorgungsgesichtspunkten nicht erforderliche Zunahme der Zahl von Leistungserbringern und damit die Gefahr des Absinkens der Indikationsschwelle für künstliche Befruchtungen verhindern soll. Die Leistungsberechtigung nach § 121a SGB 5 ist daher einem Versorgungsbedarf eigener Art unterworfen.

 

Normenkette

Ärzte-ZV § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 3; SGB V §§ 121a, 98 Abs. 2 Nr. 13

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.06.2013; Aktenzeichen B 6 KA 29/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20. Oktober 2010 (S 12 KA 283/09) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat für die Berufungsinstanz der Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1) die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Ermächtigung zur Einrichtung einer Zweigpraxis in NT. mit Praxissitz in A-Stadt.

Die 1959 geb. Klägerin ist seit 1993 Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und verfügt seit 1997 über die zusätzliche Weiterbildung in der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Seit 1997 ist sie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt, Niedersachsen, zugelassen. Im Jahr 1999 wurde ihr von der Ärztekammer Niedersachsen die Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB V erteilt.

Die Klägerin beantragte am 28. Mai 2007 die Ermächtigung zur Führung einer KV-bereichsübergreifenden Zweigpraxis in NT., da sie zahlreiche Patientinnen auch aus dieser Region aufsuchten. Die KV Niedersachsen teilte unter dem 15. August 2007 mit, aus ihrer Sicht werde die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Sitzes der Klägerin durch die beabsichtigte Zweigpraxis nicht beeinträchtigt.

Der Zulassungsausschuss in A-Stadt für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen teilte unter dem 31. August 2008 mit, es bestünden keine Bedenken gegen die Errichtung der beantragten Zweigpraxis in NT. Die Landesärztekammer Hessen teilte dem Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) unter dem 11. September 2007 mit, sie stehe dem Antrag ablehnend gegenüber, weil nicht erkennbar werde, dass die Versorgung in NT. verbessert würde und gleichzeitig die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten in A-Stadt sichergestellt sei. Für die Erbringung von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen bestehe in NT. kein weiterer Bedarf. Es existiere eine von ihr genehmigte IVF-Einrichtung. Angesichts eher rückläufiger Behandlungszahlen sei auch künftig nicht von einer Unterversorgung auszugehen. Eine ausreichende Vertreterregelung für den Standort NT. sei nicht dargelegt worden.

Die Beigeladene zu 1) wies mit Datum vom 30. Oktober 2007 auf die Überversorgung des Planungsbereichs “NT-Stadt" in Höhe von 131,76 % für Gynäkologen hin. Nach Prüfung der versorgungsrelevanten Kriterien s...

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