Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeldrecht. Höhe. Einkommensermittlung. Einnahmen aus Arztpraxis. Bemessungszeitraum. Steuerbescheid. ausgewiesener Verlust. Gewinn als positive Einkünfte. Berücksichtigung von steuerlichen Abschreibungen. Absetzung für Abnutzung. persönliche Arbeitsleistung als Voraussetzung für Erzielung von Einkommen iS des § 2 Abs 1 S 1 BEEG idF vom 17.1.2009. positives Einkommen als Voraussetzung für Erhöhungsvorschrift des § 2 Abs 2 S 1 BEEG idF vom 9.12.2010. Mindestelterngeld. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Schutz der Familie. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des § 2 Abs 9 S 1 BEEG idF 5.12.2006 ist - nicht nur im Falle von Mischeinkünften, sondern grundsätzlich - lediglich anwendbar, wenn es sich bei dem im Steuerbescheid ausgewiesenen “Gewinn„ um positive Einkünfte handelt. Sind dagegen nach dem Steuerbescheid Verluste erzielt worden, verbleibt es für die Einkommensermittlung bei der Anwendung von § 2 Abs 8 BEEG idF vom 5.12.2006 bzw für die Festlegung des Bemessungszeitraumes bei § 2 Abs 1 S 1 BEEG idF vom 17.1.2009 (vgl BSG vom 27.6.2013 - B 10 EG 2/12 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 21 und vom 26.3.2014 - B 10 EG 4/13 R).

2. Die Frage, ob Einkommen im Sinne des § 2 Abs 1 S 1 BEEG idF vom 17.1.2009 eine entsprechende persönliche Arbeitsleistung voraussetzt (offengelassen in BSG vom 27.6.2013 - B 10 EG 2/12 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 21) wird zu verneinen sein, da nach der in § 2 Abs 1 S 2 BEEG idF vom 17.1.2009 enthaltenen Legaldefinition alle positiven Einkünfte aus den in § 2 Abs 1 S 1 EStG genannten Einkunftsarten und damit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst werden.

3. Bei einer Gewinnermittlung entsprechend den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG sind Abschreibungen (hier AfA - "Absetzung für Abnutzung") zu berücksichtigen (vgl BFH vom 28.11.2013 - IV R 58/10 = BFHE 243, 572 = BStBl II 2014, 966).

4. Die Berücksichtigung der AfA bei der Gewinn- bzw Einkommensermittlung begegnet im Hinblick auf die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgeber im Bereich steuerfinanzierter Sozialleistungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten oder unter dem Aspekt des Schutzes der Familie.

5. Die Erhöhungsvorschrift des § 2 Abs 2 S 1 BEEG idF vom 9.12.2010 setzt in verfassungsgemäßer Weise von vornherein ein positives Einkommen vor der Geburt voraus.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen B 10 EG 6/14 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. September 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des für die Zeit vom 6. Januar 2007 bis 5. Januar 2008 zu zahlenden Elterngeldes streitig. Dabei ist insbesondere die Ermittlung des Einkommens der Klägerin im Bemessungszeitraum bzw. letzten steuerlichen Veranlagungszeitraumes aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 8 S. S. 1 und 2, Abs. 9 S. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig.

Die Klägerin, selbstständige Zahnärztin, und ihr Ehemann, der Rechtsanwalt B. A., sind Eltern des am x.. Januar 2007 geborenen Kindes C. A. Sie stellten am 3. April 2007 Antrag auf Elterngeld und legten für die Klägerin als Bezugszeitraum den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes fest. Zusammen mit dem Antrag legten sie u.a. eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) bezogen auf die Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin zum 31. Dezember 2006 vor, die einen Gewinn in Höhe von 41.026,33 € ausweist. Ergänzend gab die Klägerin an, sie werde im Bezugszeitraum maximal 25 Stunden wöchentlich in ihrer Zahnarztpraxis tätig sein.

Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 26. Juli 2007 der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 6. Januar 2007 bis 5. Januar 2008 in Höhe des Höchstbetrages von monatlich 1.800,00 €. Im Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass die Zahlung vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolge. Eine endgültige Feststellung sei erst nach Vorlage der Steuerbescheide 2006 und 2007 möglich.

In der Folgezeit legte die Klägerin die beiden Steuerbescheide vor. Danach beliefen sich im Jahr 2006 die Einkünfte der Klägerin aus selbstständiger Arbeit bzw. freiberuflicher Tätigkeit auf einen Verlust von 5.931,00 € und im Jahr 2007 auf einen Verlust von 30.878,00 €.

Nach Vorlage dieser Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2009 das der Klägerin zustehende Elterngeld endgültig in Höhe des Sockelbetrages von 300,00 € monatlich für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes fest. Zugleich forderte er eine Überzahlung in Höhe von 18.000,00 € zurück. Bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes ging der Beklagte von einem endgültigen Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum, dem Kalenderjahr 2006, von 45.931,00 € aus.

Die Klägerin erhob Widerspruch am 2. November 2009 und machte geltend, der Ansatz eines Verl...

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