Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. sozialversicherungspflichtig beschäftigter Bürgerkriegsflüchtling. Bosnien-Herzegowina. Deutsch-jugoslawisches Abkommen über soziale Sicherheit. Höhe des Leistungsanspruchs

 

Orientierungssatz

Einem in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien-Herzegowina steht Kindergeld für seine Kinder jedenfalls in der Höhe der sich aus dem Deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit ergebenden Sätze zu. Die in diesem Abkommen geregelte eingeschränkte Gleichstellung hat durch die am 1.1.1994 erfolgte Neufassung des § 1 Abs 3 BKGG insoweit keine Änderung erfahren.

 

Verfahrensgang

SG Darmstadt (Urteil vom 24.11.1994; Aktenzeichen S-12/Kg-1405/93)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.04.2000; Aktenzeichen B 14 KG 3/99 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. November 1994 abgeändert. Unter Abänderung des Bescheides vom 11. Mai 1993 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 und unter Berücksichtigung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 16. Dezember 1998 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab Januar 1994 bis Dezember 1995 für dessen Kinder J., M. und E. Kindergeld nach Maßgabe des Deutsch-jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit zu gewähren. Im übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ab Oktober 1992 bis einschließlich Dezember 1995 ein Anspruch auf Kindergeld zusteht.

Der am 1958 geborene Kläger lebte erstmals in der Zeit von Juni 1975 bis Mai 1978 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist mit P M (geb. 1960) verheiratet. Die Eheleute M sind -- ebenso wie ihre Kinder J (geb. 1980), M (geb. 1984) und E (geb. 1988) -- Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina.

Im Juli 1991 reiste der Kläger als Bürgerkriegsflüchtling mit seiner Familie aus Bosnien-Herzegowina erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vom Oberbürgermeister der Stadt R wurde dem Kläger und seiner Familie auf den am 26. Juli 1991 gestellten Antrag erstmals am 21. Oktober 1991 eine bis zum 17. Januar 1992 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt. Diese wurde am 15. November 1991 in eine bis zum 13. Januar 1992 gültige Duldung umgewandelt. Die zunächst bis zum 12. Mai 1992 verlängerte Duldung wurde in der Folgezeit bis zum 31. Mai 1992 und danach sukzessive für Zeiträume zwischen jeweils fünf bzw. sechs Monate über den Ablauf des vorliegend streitbefangenen Zeitraums hinaus verlängert. Die Duldungen ab Mai 1992 beruhten auf dem Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten vom 7. Mai 1992 (unveröffentlicht; Az. II A 51-23 d). Mit diesem Erlaß wurde im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern die Abschiebung von Personen aus Bosnien-Herzegowina gem. § 54 Ausländergesetz (AuslG) ausgesetzt und die nachgeordneten Behörden angewiesen, den Aufenthalt dieses Personenkreises nach §§ 55, 56 AuslG zu dulden. Der Erlaß vom 7. Mai 1992 war ursprünglich bis zum 7. November 1992 befristet. Er wurde in der Folgezeit -- wiederum im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern -- für die Dauer von jeweils sechs Monaten über den streitbefangenen Zeitraum hinaus verlängert (Erlasse vom 10. 9. 1992, 10. 3. 1992, 22. 9. 1993 usw.).

Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland stand der Kläger hier erstmals wieder ab dem 30. November 1991 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. In den Jahren 1992 bis 1995 wurden vom Kläger unterschiedliche Arbeitsverhältnisse begründet, zeitweise waren diese durch Zeiten von Arbeitslosigkeit unterbrochen.

Nach Maßgabe der Bescheide über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag des Finanzamtes G für die Jahre 1992 (Bescheid vom 21. 9. 1993), 1993 (Bescheid vom 11. 4. 1994), 1994 (Bescheid vom 11. 7. 1995) und für 1995 (Bescheid vom 11. 9. 1996) erzielte der Kläger folgende Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit:

1992    37.540,-- DM

1993    28.479,-- DM

1994    11.960,-- DM

1995    14.368,-- DM

Einkommens- und Kirchensteuer fielen beim Kläger in dieser Zeit nicht an. Neben seinen Bezügen aus nicht selbständiger Arbeit sowie dem bezogenen Arbeitslosengeld und der gezahlten Arbeitslosenhilfe erhielt der Kläger erstmals ab Dezember 1992 ergänzende Leistungen für sich und seine Familie nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Am 19. November 1992 beantragte der Kläger für die Kinder J, M und E bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld. Durch Bescheid vom 23. Dezember 1992 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Dieser Bescheid wurde vom Kläger zunächst nicht angefochten. Nachdem der Kläger am 4. April 1993 und am 4. Mai 1993 nochmals um die Gewährung von Kindergeld nachgesucht hatte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. Mai 1...

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