Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Minderheitsgesellschafter. vertraglich vereinbartes Veto-Recht. Stimmbindungsvereinbarung. Rechtsmacht

 

Orientierungssatz

Ein GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung, dem vertraglich ein Veto-Recht eingeräumt wird, das eine Stimmbindungsvereinbarung beinhaltet, verfügt über die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität, da er aufgrund der ihm durch die Stimmbindungsvereinbarung verliehenen Rechtsmacht ihm nicht genehme Beschlüsse und Weisungen abwenden und somit die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen kann. Eine abhängige Beschäftigung und die damit einhergehende Sozialversicherungspflicht sind hier zu verneinen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.11.2015; Aktenzeichen B 12 KR 10/14 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 4. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1. auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seit dem 1. März 2007 bei der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt ist.

Der Kläger und Herr D. errichteten mit Gesellschaftsvertrag vom 11. September 2006 die Beigeladene zu 1., die C. Unternehmensberatung GmbH, die am 19. Februar 2007 in das Handelsregister eingetragen wurde und seit dem 23. Juni 2009 als C. Consult Unternehmensberatung GmbH firmiert. Gegenstand des Unternehmens ist die Beratung von natürlichen Personen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen in der fairen personellen und sachlichen Umsetzung von betriebswirtschaftlichen Fragen. Vom Stammkapital in Höhe von 100.000 € übernahm der Kläger 30.000 € und Herr D. 70.000 €. Sowohl der Kläger als auch Herr D. schlossen am 16. Januar 2007 mit der Beigeladenen zu 1. einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. In diesen Verträgen wurde den Geschäftsführern jeweils Einzelvertretungsberechtigung und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingeräumt.

Im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag des Klägers heißt es in § 2:

(3) Der Geschäftsführer hat ein Veto-Recht bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter.

(4) Der Geschäftsführer ist wegen seiner fachlichen Kompetenz für die weitere Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft von enormer Bedeutung und erhält daher ein Veto-Recht bei grundsätzlichen Entscheidungen, die die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen.

In § 5 heißt es weiter:

Der Geschäftsführer haftet für fahrlässige oder grob-fahrlässige Schäden bis zu einem Betrag in Höhe von 50.000 €.

In § 8 Abs. 6 heißt es in beiden Geschäftsführer-Anstellungsverträgen:

Der Geschäftsführer verzichtet wegen der Gründungssituation bis zum 1. März 2007 auf das in § 5 erwähnte Monatsgehalt. Darüber hinaus gewährte er der Gesellschaft eine Stundung des Gehalts bis diese einen Umsatz von ca. 500.000 € erzielt hat, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2007, so dass die Gesellschaft über die notwendige Liquidität verfügt. Der gestundete Betrag ist sodann in voller Höhe mit dem Gehalt des Folgemonats fällig. Der gestundete Betrag wird mit 5 % p.a. verzinst.

Die beiden Geschäftsführer-Anstellungsverträge sind - bis auf die zitierten Regelungen in § 2 Abs. 3 und 4 und § 5 - wortgleich. Beide Verträge sind auf Seiten der Beigeladenen zu 1. von beiden Gesellschafter-Geschäftsführern unterschrieben. Sowohl der Kläger als auch Herr D. wurden als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger beantragte am 3. September 2010 bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1.

Die Beklagte stellte nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 8. März 2011) mit Bescheid vom 16. März 2011 fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 16. Januar 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seit dem 1. März 2007 bestehe.

Der Kläger widersprach dem Bescheid mit Schreiben vom 9. Mai 2011 und vertrat die Auffassung, dass er keine abhängige Beschäftigung ausübe. Dies ergebe sich daraus, dass er in Höhe von 30 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt sei. Ihm sei eine Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt; außerdem sei er vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit. Er verfüge über besondere Branchenkenntnisse, die maßgeblich für das Unternehmen seien. Aus dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ergebe sich zudem ein besonderes Unternehmensrisiko. Die in § 5 verein...

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