Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kriegsgefangenschaft liegt nicht vor, wenn nach Kriegsende jugoslawische Staatsangehörige wegen Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzungsmacht verhaftet werden und während der Haft umkommen.

2. Ausschreitungen der Streitkräfte eines Staates gegen eigene Staatsangehörige nach Kriegsende sind keine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 5 Abs. 1 d BVG

 

Normenkette

BVG §§ 7-8, 64 ff., § 5 Abs. 1d

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.08.1974)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 20. August 1974 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die 1907 geborene Klägerin ist im slowenischen Landesteil Jugoslawiens wohnhaft. Sie stellte am 29. Juni 1970 Antrag auf Gewährung von Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach ihrem 1904 geborenen Ehemann F. J., der seit dem 18. Mai 1945 verschollen ist. Aufgrund des Beschlusses des Kreisrichters Slovenj Gradec vom 26. Mai 1958 ist er für tot erklärt und als Todestag der 18. Mai 1950 festgesetzt worden.

Die Klägerin trägt vor, ihr Ehemann habe in den Kriegsjahren als Metallgiesser im Stahlwerk S. gearbeitet und sei während der Okkupation Angehöriger des Werkschutzes gewesen. Er habe sich zum deutschen Kulturkreis bekannt und sei Mitglied des L. Volksbundes gewesen. Am 18. Mai 1945 seien Beamte der Geheimpolizei gekommen und hätten ihn abgeführt. Er sei erschossen worden. Dazu berief sie sich auf die Erklärungen der Z. G. und des F. G. vom 24. Juni 1971.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1972 ist der Antrag der Klägerin abgelehnt worden, da der Ehemann keinen militärischen Dienst im Sinne des BVG geleistet habe. Zum Zeitpunkt der Verschollenheit sei er als Zivilist verhaftet worden und nicht wieder zurückgekehrt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit müsse angenommen werden, dass er infolge eines Gewaltaktes nach Besetzung des Gebietes durch Partisaneneinheiten ums Leben gekommen sei. Dieses Ereignis sei nicht mehr in Deutschland oder in einem von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet eingetreten, denn der Krieg sei bereits beendet gewesen.

Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Ehemann sei in den Jahren 1940 bis 1945 im Werkschutz eingesetzt gewesen. Für diesen Personenkreis habe nach Beendigung des Krieges eine allgemeine Gefahr bestanden, wie die Verhaftung beweise.

Der Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1973 führte noch aus, der Ehemann habe keinen militärischen Dienst geleistet. Der Werkschutz könne nicht als militärischer Dienst angesehen werden. Auch Nachweise über die angebliche Zugehörigkeit zu einer Wehrmannschaft seien nicht vorhanden. Die Klägerin selbst sei weder deutsche Volkszugehörige noch deutsche Staatsangehörige. Die angegebene Mitgliedschaft beim K. Volksbund sei kein Indiz für die deutsche Volks- oder Staatszugehörigkeit. Es käme daher nur eine Kannversorgung nach § 8 BVG in Betracht. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung habe in einem Schreiben vom 26. Mai 1972 wegen der besonderen Gegebenheiten dieser Fälle einer Versorgung nicht zugestimmt. Ein Ermessensfehlgebrauch liege darin nicht, weil ihr Ehemann nach jugoslawischer Auffassung als Kollaborateur angesehen werde. Dass in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen Renten an Hinterbliebene gewährt worden seien, ändere daran nichts.

In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und nochmals darauf hingewiesen, dass Werkschutz eine militante Organisation gewesen sei. Ihr Ehemann habe wegen seines Bekenntnisses für das Deutschtum und seine Dienstleistung für das Deutsche Reich sein Leben opfern müssen. Er habe sich auch zum deutschen Kulturkreis bekannt. Sie selbst sei jugoslawische Staatsangehörige slowenischen Volkstums.

Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, die Voraussetzungen zur Gewährung von Hinterbliebenenversorgung seien immer dann zu verneinen, wenn ausländische Zivilisten nach Kriegsende durch unbekannte Umstände umgekommen seien. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend.

Mit Urteil vom 20. August 1974 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klägerin sei weder deutsche Volkszugehörige noch Staatsangehörige. Sie habe damit keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach den §§ 64 Abs. 1, 7 Abs. 1 Nr. 2 BVG. Nach § 8 BVG stehe ihr ebenfalls kein Anspruch auf Hinterbliebenen Rente zu. Ihr Ehemann sei durch Angehörige seines eigenen Staates in Haft genommen und dann ums Leben gebracht worden. Die Schädigung stehe damit nicht im Zusammenhang mit einem Wehrdienst, militärähnlichem Dienst oder einem für eine deutsche Organisation verrichteten Dienst. Der Tod sei ausserhalb einer Einwirkungsmöglichkeit deutscher Stellen durch Straf- oder Racheakte bedingt gewesen. Ob andere Witwen in ähnlich gelagerten Fällen eine Hinterbliebenenrente bezögen, könne dahingestellt bleiben. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf...

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