Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung. Erstattungsanspruch. eigener Anspruch. Unzulässigkeit

 

Orientierungssatz

Der für die Beitragserstattung zuständige Versicherungsträger darf seine Ansprüche gegen den Berechtigten nicht gegen die dem Berechtigten zu erstattenden Beiträge aufrechnen, weil § 28 Nr 1 SGB 4 nur die Verrechnung der Ansprüche anderer Versicherungsträger (Leistungsträger) zuläßt.

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 01.10.1992; Aktenzeichen S-11/Ar-712/91)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.1994; Aktenzeichen 12 RK 69/93)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch um die Erstattung von Beiträgen, die ab dem 1. Januar 1985 gezahlt wurden.

Der Kläger ist Konkursverwalter der Firma E.-T. Gesellschaft für E.-, H.-, S. mit beschränkter Haftung (E.), vormals S.straße, W., über deren Vermögen durch Beschluß des Amtsgerichts W. vom 3. August 1988 (…) der Konkurs eröffnet wurde.

Für den Geschäftsführer der E., Herrn M. F., waren in der Zeit vom 1. März 1983 bis zum 31. Januar 1988 Beiträge zur Beklagten über die Barmer Ersatzkasse als Einzugsstelle in Höhe von 3.748,43 DM entrichtet worden, obwohl er am Kapital der E. immer mit mindestens zur Hälfte beteiligt war. Nachdem der Kläger die Barmer Ersatzkasse darauf hingewiesen hatte, daß nach seiner Ansicht eine Beitragspflicht für Herrn F. nicht bestanden habe, stellte diese nach weiteren Prüfungen dem Kläger gegenüber die Versicherungsfreiheit des Herrn F. fest.

Mit am 8. Mai 1990 bei der Barmer Ersatzkasse eingegangenen Anträgen begehrte der Kläger die Erstattung der geleisteten Beiträge für Herrn F. für die Zeit vom 1. März 1983 bis zum 31. Januar 1988.

Mit Bescheid vom 28. Januar 1991 lehnte die Beklagte die Erstattung der Beiträge ab. Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1985 entrichteten Beiträge wurde die Einrede der Verjährung erhoben, wegen des Erstattungsanspruch für den restlichen Zeitraum in Höhe von 2.877,81 DM wurde mit Ansprüchen auf Rückzahlung von Konkursausfallgeld gemäß § 154 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aufgerechnet. Dieser Aufrechnung lag eine Bestätigung des Amtsgerichts W. über eine am 21. September 1988 angemeldete Forderung der Beklagten im Konkursverfahren der E. wegen Konkursausfallgeld zugrunde, die in Höhe von 9.281,02 DM vom Kläger anerkannt worden war.

Der am 14. Februar 1991 eingelegte Widerspruch wurde u.a. damit begründet, daß die Aufrechnung gemäß § 55 Abs. 2 Konkursordnung (KO) unzulässig sei und im übrigen § 55 Abs. 3 KO “greife”. Mit Bescheid vom 16. Juli 1991 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 28. Januar 1991 insofern ab, als die Aufrechnung nicht mehr auf § 154 Abs. 2 AFG, sondern auf § 28 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) gestützt wurde. In seinem auch hiergegen eingelegten Widerspruch meinte der Kläger, daß auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangene Ansprüche wegen Konkursausfallgeldes nach § 59 Abs. 2 KO eindeutig als Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO anzusehen seien, was eine Aufrechnung ausschließe. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 1991 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und hinsichtlich der Aufrechnung ausgeführt, daß § 55 KO nicht einschlägig sei, da die Forderung von der Beklagten schon vor Konkurseröffnung durch gesetzlichen Forderungsübergang erworben worden sei.

Mit der am 26. September 1991 vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Durch Urteil vom 1. Oktober 1992 hat das Sozialgericht die Klage hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1985 gezahlten Beiträge abgewiesen und im übrigen die Beklagte verurteilt, dem Kläger zur Konkursmasse die in der Zeit vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Januar 1988 für Herrn F. geleisteten Beiträge in Höhe von 2.877,81 DM zu zahlen, und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte könne gegen den für die Zeit ab 1. Januar 1985 unstreitig bestehenden Anspruch des Klägers auf Beitragserstattung nicht mit ihrer Erstattungsforderung wegen der Zahlung von Konkursausfallgeld verrechnen bzw. aufrechnen. Ein derartiges Recht der Beklagten ergebe sich nicht aus § 28 Nr. 1 SGB IV, da dort eindeutig nur die Verrechnung, nicht aber die Aufrechnung geregelt sei. Auch die Voraussetzungen des § 28 Nr. 2 SGB IV (Aufrechnung mit künftigen Beitragsforderungen), des § 154 Abs. 2 AFG (Aufrechnung bei einem Anspruch auf Rückzahlung von Leistungen) und des § 51 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) (Aufrechnung gegen Ansprüche auf Geldleistungen) seien nicht erfüllt. Der Anspruch auf Erstattung von vor dem 1. Januar 1985 gezahlten Beiträgen sei verjährt, weil der Erstattungsanspruch erst in 1989 angemeldet worden sei und Ermessensfehler der Beklagten hinsichtlich der Geltendmachung der Verj...

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