Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Aufhebung. rückwirkende – Jahresfrist. Beginn der Kenntnis. Anhörungsverfahren. Tatsachen für die Ermessensausübung. Behörde. Begriff der –

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die für den Beginn der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X erforderliche Kenntnis der die rückwirkende Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen umfaßt nicht die lediglich für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen (Anschluß an BSG v. 5. Juni 1988, SozR 1300 § 48 Nr. 47).

2. Zur Erkenntnis der Rechtswidrigkeit als fristauslösendes Tatbestandsmerkmal.

3. Für den Begriff der Behörde i.S.v. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X gilt die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 SGB X.

 

Normenkette

SGB X § 45 Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

SG Darmstadt (Urteil vom 28.07.1993; Aktenzeichen S-2/J-326/93)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juli 1993 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides und die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung überzahlten Übergangsgeldes in Höhe von 7.524,00 DM,

Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem 1941 geborenen Kläger nach einer stationären Entgiftung im Psychiatrischen Krankenhaus in Riedstadt ein Heilverfahren wegen einer Alkoholerkrankung für die Zeit vom 10. April bis zum 9. Oktober 1990 in der Fachklinik H. Der Kläger war bei der Firma W. GmbH & Co. arbeiterrentenversicherungspflichtig beschäftigt und wurde ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts der Fachklinik H. vom 3. Dezember 1990 nach Beendigung des Heilverfahrens als in der Lage angesehen, seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit vollschichtig fortzusetzen.

Mit Bescheid vom 14. Mai 1990 hatte die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld ab 10. April 1990 in Höhe von kalendertäglich 84,00 DM bewilligt und dieses bis zum 9. Oktober 1990 an den Kläger bezahlt. Das Übergangsgeld wurde gemäß der Anlage zu dem Bewilligungsbescheid „erhöht um 70,37 durchschnittliche Überstunden in den letzten drei abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträumen”. Dies beruhte auf einer fehlerhaften Interpretation der Verdienstbescheinigung der Firma W. GmbH & Co. vom 18. April 1990, die der Beklagten seit 25. April 1990 vorlag und in der der Arbeitgeber in der eigentlich für Mehrarbeitsstunden vorgesehenen Rubrik die Gesamtarbeitsstunden für die Monate Oktober, November und Dezember 1989 bescheinigte. Der Arbeitgeber hatte dabei allerdings die Worte „Mehrarbeit” durchgestrichen und außerdem in der zutreffenden Rubrik die Anzahl der im Monat Dezember 1989 geleisteten Arbeitsstunden in gleicher Höhe wie in der Rubrik „bezahlte Mehrarbeitsstunden” angegeben. Bereits am 23. April 1990 war der Beklagten eine Mitteilung der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) über die stationäre Aufnahme des Klägers in der Fachklinik H. sowie ein Arbeitsblatt zur Berechnung des Krankengeldes des Klägers einschließlich einer ordnungsgemäß ausgeführten Gehaltsbescheinigung der Firma W. GmbH & Co. vom 7. März 1990 in Kopie zugegangen. Das Krankengeld betrug hiernach 56,23 DM täglich.

Mit Schreiben vom 15. März 1991 stellte das Rechnungsprüfungsamt der Beklagten im Zuge einer Innenrevision die auf der zusätzlichen Berücksichtigung der Gesamtarbeitsstunden als Überstunden beruhende fehlerhafte Berechnung des Übergangsgeldes und eine hierdurch eingetretene Überzahlung in Höhe von 7.594,20 DM fest. Nach einer internen Neuberechnung des Übergangsgeldes am 5. April 1991 teilte die Beklagte der DAK unter dem 5. April 1991 für die Zeit vom 10. April bis 9. Oktober 1990 einen kalendertäglichen Übergangsgeldbetrag von 41,81 DM mit. Die Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Rückforderung des Überzahlungsbetrages erfolgte mit Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1991 sowie nach einer Korrektur der Berechnung des überzahlten Übergangsgeldes mit weiterem Schreiben vom 31. Oktober 1991. Zugleich erließ die Beklagte unter dem 29. Oktober 1991 einen neuen Übergangsgeldbescheid für die Zeit vom 10. April bis 9. Oktober 1990, in welchem sie das Übergangsgeld auf kalendertäglich 42,20 DM festsetzte.

Mit Bescheid vom 5. Februar 1992 setzte die Beklagte den vom Kläger gemäß § 50 Abs. 2 in Verbindung mit § 45 Sozialgesetzbuch – 10. Buch (SGB X) zu erstattenden Betrag auf 7.524,00 DM fest. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers nahm die Beklagte durch Bescheid vom 30. September 1992 den Erstattungsbescheid vom 5. Februar 1992 sowie den Übergangsgeldbescheid vom 14. Mai 1990 zurück und setzte den von dem Kläger gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Betrag auf 7.524,00 DM fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1993 zurück.

Auf die hiergegen am 12. März 1993 erhobene Klage hat das Soz...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge