Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. keine Begründung eines neuen Sachleistungsanspruchs. keine Versorgung mit einem Therapiedreirad als Hilfsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB V ist auf den Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs 3a S 7 SGB V beschränkt.

2. § 13 Abs 3a S 6 SGB V begründet keinen Sachleistungsanspruch.

 

Orientierungssatz

Die Versorgung mit einem Therapiedreirad dient nicht einem spezifischen Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.03.2018; Aktenzeichen B 3 KR 4/16 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für ein Therapie-Dreirad.

Der 1960 geborene und bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner gesetzlich versicherte Kläger erkrankte von 1992 bis 2000 an einem Hirntumor (Oligodendrogliom, Grad III). Er wurde mehrfach operiert und unterzog sich zuletzt 2001 einer Chemotherapie. Infolge dieser Erkrankung bestehen eine symptomatische Epilepsie mit fokal-motorischen Anfällen, eine Beeinträchtigung der linken Körperhälfte mit reduzierter Motorik und Gleichgewichtsstörungen, eine organisch bedingte Antriebsstörung, rezidivierende depressive Störungen sowie eine Anpassungsstörung. Daneben besteht ein (tablettenpflichtiger) Diabetes mellitus mit beginnender Polyneuropathie.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Groß-Gerau vom 29. Januar 2001 wurde die Ehefrau des Klägers vor dem Hintergrund eines “hirnorganischen Psychosyndroms„ zur Betreuerin bestellt (Az.: 43 XVII 472/01 B).

Der Kläger bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung der Pflegestufe I seit November 2011 und der Pflegestufe II seit Januar 2012.

Ein vorausgegangenes gleichgelagertes Streitverfahren der Beteiligten über die Versorgung des Klägers mit dem Liegedreirad “Lepus„ endete durch Berufungsrücknahme (L 1 KR 10/15 / L 1 KR 3/13 -alt-).

Die Betreuerin des Klägers beantragte am 13. November 2013 die Übernahme der Kosten für das Therapiedreirad “xxxxx„ und legte in der Geschäftsstelle der Beklagten in Groß-Gerau die Verordnung des Hausarztes Dr. D. vom 4. November 2013 sowie dessen Attest gleichen Datums vor.

Die Beklagte bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 13. November 2013 den Antragseingang und teilte (unzutreffend) mit, dass sie weitere medizinische Informationen des behandelnden Arztes angefordert habe (Bl. 66 der Gerichtsakte). Gleichzeitig leitete sie die Unterlagen an das “Hilfsmittel Kompetenzzentrum Gießen„ per Mail weiter (Bl. 23 der Verwaltungsakte).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers reichte mit Schreiben vom 3. Januar 2014 erneut die Verordnung und das Attest des Dr. D. vom 4. November 2013 bei der Beklagten ein.

Erst daraufhin beauftragte die Beklagte am 6. Januar 2014 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) mit der Begutachtung der Hilfsmittelversorgung. Der MDK gelangte in einem sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 16. Januar 2014 zu der Einschätzung, dass die Versorgung des Klägers mit dem Therapiedreirad “xxxxx" weder erforderlich sei, um die Behinderung auszugleichen, noch um den Erfolg der Krankenversicherung zu sichern. Insbesondere seien Heilmittel in Form von Krankengymnastik, Ergotherapie und weitere physikalische Maßnahmen, wie sie durchgeführt würden, ausreichend. Ausweislich des Attests des Hausarztes sei das Dreirad als Trainingsgerät vorgesehen. Trainingsgeräte unterlägen jedoch nicht der Leistungspflicht der Krankenkasse. Zudem sei das Sesseldreirad ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da es für jedermann erhältlich angeboten werde.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Januar 2014 ab und wies den Widerspruch des Klägers vom 29. Januar 2014 mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 29. April 2014 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Klagebegründung auf sein Vorbringen im vorangegangenen Verfahren zur Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung verwiesen (L 1 KR 10/15 / L 1 KR 3/13).

Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2014 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Therapiedreirad “xxxxx". Das begehrte Therapiedreirad sei nicht zum Behinderungsausgleich erforderlich. Der Kläger sei in der Lage, sich den Nahbereich zu Fuß zu erschließen; eine Einschränkung der Beweglichkeit der unteren Extremitäten sei nicht dokumentiert. Zudem kämen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mehrspurige Fahrräder grundsätzlich nur im Falle der Versorgung von Kindern zum Ausgleich einer Behinderung in Betracht. Die Versorgung des Klägers mit dem begehrten Therapiedreirad als Trainingsgerät komme auch nicht in Betracht, da Maßnahmen der Bewe...

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