Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. selbstständiger Handelsvertreter. Vermittlungsagent. Tätigkeit für verschiedene Versicherungsunternehmen und Banken, die zu einem Konzern gehören. Auftraggeber. Einzelfallprüfung auf der Grundlage des Vertretungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein selbstständiger Handelsvertreter und Vermittlungsagent, der für verschiedene Versicherungsunternehmen und Banken, die zu einem Konzern gehören bzw Kooperationsunternehmen dieses Konzerns sind, Versicherungsverträge und Bankdienstleistungen vermittelt, ist nur für einen Auftraggeber tätig, wenn er rechtlich (vertraglich) im wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden ist oder tatsächlich (wirtschaftlich) im wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig ist.

2. Dies ist nicht abstrakt unter Berücksichtigung der jeweiligen Konzernstruktur, sondern konkret im Einzelfall auf der Grundlage der mit dem Handelsvertreter/Vermittlungsagent abgeschlossenen Verträge zu prüfen.

3. "Auftraggeber" iS des § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 kann ausgehend von der Schutzbedürftigkeit des Selbstständigen vor rechtlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nur eine arbeitgeberähnliche Position bedeuten, die der Versicherungskunde in der Regel nicht einnimmt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.12.2005; Aktenzeichen B 12 RA 10/05 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. April 2003 insoweit geändert, als festgestellt worden ist, dass die Klägerin für den Zeitraum vom 1. April 1999 bis 30. April 2003 der Versicherungspflicht nicht unterliegt und die Klage gegen die Bescheide vom 5. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1999 und vom 10. September 2003 abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 1. April 1999 bis 30. April 2003.

Seit dem 1. April 1999 ist die 1969 geborene Klägerin als selbstständige Handelsvertreterin und als Vermittlungsagentin tätig und führt eine Versicherungsagentur. Die Klägerin befasst sich mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen und Bankdienstleistungen für verschiedene Versicherungsunternehmen und Banken, die alle zu der X-Gruppe gehören. Am 1. Mai 2003 nahm Frau H. und am 15. August 2003 Frau M. bei der Klägerin ein Beschäftigungsverhältnis mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von jeweils mehr als 400 Euro auf.

Am 24. Juni 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), da sie über eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente, eine Altersrente und über eine Lebensversicherung verfüge. Die entsprechenden Unterlagen der X. Versicherungs-Aktiengesellschaft wurden von der Klägerin vorgelegt. Mit Bescheid vom 5. August 1999 lehnte die Beklagte eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht ab, da diese ihre Tätigkeit erst nach dem 31. Dezember 1998 aufgenommen habe. Aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit unterliege die Klägerin der Versicherungspflicht. Über diese Versicherungspflicht werde ein gesonderter Bescheid ergehen. Hiergegen erhob die Klägerin am 6. September 1999 mit der Begründung Widerspruch, dass für sie keine Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI bestehe. Sie vermittle im Rahmen ihrer Agentur Versicherungen für eine Reihe von verschiedenen Versicherungsunternehmen, wie etwa der X. Versicherungs-Aktiengesellschaft, der X: Lebensversicherung, der X. Bausparkasse, der Y. Krankenversicherung und den Z. Kreditversicherungen. Ob und inwieweit es eine Holding gebe, an der die X. maßgeblich beteiligt sei und die ihrerseits Aktien der genannten Unternehmen halte, sei unerheblich. Auftraggeber seien die jeweiligen Gesellschaften, die völlig unabhängig voneinander agierten, sodass mehrere Auftraggeber vorhanden seien, für die sie tätig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Die Klägerin hat hiergegen am 6. Dezember 1999 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und weiterhin die Auffassung vertreten, dass sie als selbstständige Versicherungsvertreterin, die im Rahmen ihrer Agentur Versicherungen verschiedener Unternehmen vermittle, nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat sie den Vertretungsvertrag zwischen ihr und der F. Versicherungs-Aktiengesellschaft (Vertragsbeginn: 1. April 1999), die besonderen Provisionsbestimmungen und Richtlinien für die Vermittlung von Elektronik-Versicherungen, die Richtlinien über die Zusammenarbeit zwischen X. und Z. auf dem Gebiet der Kredit-, Kautions- und Vertrauensschadensversicherung, die besonderen Provisionsbestimmungen für die Vermit...

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