Entscheidungsstichwort (Thema)

Rehabilitation. Rehabilitationsmaßnahme. Einrichtung. Einrichtung für Behinderte

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Begriff der Einrichtung für Behinderte (vgl. AFG § 168 Abs. 1 S. 2 sowie RVO §§ 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 b, 165 Abs. 1 Nr. 2 a und AVG § 2 Abs. 1 Nr. 2 a), in denen jugendliche Behinderte an einer berufsfördernden Maßnahme mit der Folge der Beitragspflicht teilnehmen, reicht es aus, wenn die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen her insoweit ein umfassendes Dienstleistungsangebot zur Eingliederung Behinderter erbracht werden kann und Rehabilitationsmaßnahmen in nicht unwesentlichem Umfang durchgeführt werden.

 

Normenkette

AFG § 168 Abs. 1 S. 2, § 100 Abs. 1, § 104 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter (SVBG) vom 5. Mai 1975 Art. 2 § 4; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 3b, § 165 Abs. 1 Nr. 2a; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 2a

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.07.1978; Aktenzeichen S-15/Ar-180/77)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.03.1981; Aktenzeichen 7 RAr 25/80)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juli 1978 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld – Alg – ab 2. September 1976.

Der im Jahre 1956 geborene Kläger ist behindert; medizinischerseits ist eine spastische Halbseitenlähmung rechts mit Funktionsbehinderung in den Gelenken des rechten Armes und diskrete Muskelschwäche des rechten Beines ohne wesentliche Funktionseinschränkung festgestellt worden. Nach der Einleitung von Berufsfindungsmaßnahmen nahm der Kläger unter Berücksichtigung seiner besonderen Interessen auf Vorschlag des Arbeitsamtes Frankfurt am Main an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 1. März 1974 bis 1. September 1976 mit Erfolg teil, die die Handelsschule H. in Frankfurt am Main durchgeführt hatte. Am 2. September 1976 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg; am 13. Dezember 1976 nahm er eine Beschäftigung auf. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. November 1976 mit der Begründung ab, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Innerhalb der Rahmenfrist habe er in keinem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1977 zurück. Ergänzend führte sie an, der Kläger könne für die maßgebliche Rahmenfrist in der Zeit vom 2. September 1973 bis 1. September 1976 auch keine einer Beschäftigung gleichgestellte Zeit nachweisen; seine Teilnahme an einer von der Handelsschule H. in Frankfurt am Main durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme zum Bürokaufmann sei gemäß § 168 Abs. 1 S. 2 AFG nicht beitragspflichtig gewesen. Von dieser Regelung würden nur jugendliche Behinderte erfaßt, die in Einrichtungen für Behinderte, insbesondere in Berufsbildungswerken, an einer berufsfördernden Maßnahme teilnähmen. Demgegenüber betreibe die Handelsschule H. nur in Einzelfällen berufliche Rehabilitation. Während der Maßnahme habe daher keine Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 168 AFG bestanden.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 21. März 1977 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die Fachschule H. sei als Einrichtung zur Rehabilitation auch von Rentenversicherungsträgern anerkannt und mitfinanziert. Das Gesetz sehe nicht vor, daß Einrichtungen als solche staatlich geführt sein müßten.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 21. Juli 1978 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Alg ab 2. September 1976 zu gewähren. Zur Begründung hat es angeführt, die Voraussetzungen des § 168 Abs. 1 S. 2 AFG seien erfüllt. Der Kläger sei jugendlicher Behinderter; er habe bei der Handelsschule H. an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation teilgenommen, was die Beklagte selbst einräume. Ihr Einwand, es habe sich bei dieser Schule nicht um eine Einrichtung für Behinderte gehandelt, sei nicht beachtlich. Denn als solche sei die Handelsschule H. nach außen eindeutig in Erscheinung getreten. In ihrem Briefkopf heiße es ausdrücklich „Kaufmännische Rehabilitationsstätte und Umschulungen aufgrund des Arbeitsförderungsgesetzes”. Die Beklagte habe der Schule selbst Rehabilitationsmaßnahmen übertragen und die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme selbst vorgeschlagen. Daß tatsächlich Beiträge zur Beklagten nicht abgeführt worden seien, sei unerheblich, da es maßgeblich auf die Beitragspflicht und nicht die tatsächliche Beitragsabführung ankomme. Aufgrund der Übergangsregelung des § 2 Nr. 9 des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3118) gelte die Neuregelung des § 107 Nr. 5 AFG, die die Beitragspflicht bei dem Besuch berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation regele, von Beginn der Maßnahme an, da sie bei Inkrafttr...

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