Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungsausgleichsrecht. Begriff des Arbeitnehmers. freie Mitarbeiter von Rundfunkanstalten. Umlagepflicht für den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen im Fall der Mutterschaft. Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung im Arbeitsrecht und im Sozialversicherungsrecht auch im Bereich des Rundfunks nach den grundsätzlich gleichen Kriterien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Rundfunkanstalt, welche "freie Mitarbeiter" als Beschäftigte im Sinne von § 7 SGB IV zur Sozialversicherung anmeldet und für diese Sozialversicherungsbeiträge entrichtet, ist verpflichtet, für diese Mitarbeiter auch die Umlage U2 zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen im Fall der Mutterschaft nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz zu entrichten.

2. Zwischen dem Begriff der Beschäftigung in § 7 SGB IV und den Begriffen der "Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden" in § 7 Abs 2 S 1 AAG gibt es im Zusammenhang mit der Umlagepflicht U2 nach dem AAG keinen relevanten Unterschied.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.09.2017; Aktenzeichen B 1 KR 31/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Heranziehung des Klägers zum Umlageausgleichsverfahren U2 aus Anlass der Mutterschaft nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG).

Die Beklagte führte in der Zeit vom 3. Februar 2009 bis 9. Februar 2010 bei dem Kläger eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) über den Prüfzeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2008 durch. Sie stellte fest, dass der Kläger eine Vielzahl von ihm als "freie Mitarbeiter" bezeichnete Personen als sozialversicherungspflichtig beurteilt und für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichtet, jedoch keine Umlagebeträge zum sog. U2-Verfahren abgeführt hatte.

Nach vorheriger Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 7. Januar 2010 forderte die Beklagte mit Summenbeitragsbescheid vom 8. März 2010 Umlagebeträge zum U2·Verfahren in Höhe von 198.881,14 € für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2008 von dem Kläger nach. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 habe der Kläger rückwirkend eine Korrekturberechnung mit Abführung der Umlage 2 vorzunehmen. Soweit Mitarbeiter von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigte einzustufen seien, würden sie nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 13./14. November 2007 auch als Arbeitnehmer im Sinne des Aufwendungsausgleichsgesetzes (AAG) gelten. Beitragsbemessungsgrundlage sei die Lohnartensummenabrechnung des Klägers, in der das laufende rentenversicherungspflichtige Arbeitsentgelt aufgelistet sei. Da es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand darstellen würde, das jährliche Arbeitsentgelt für jeden Beschäftigten unter Reduzierung der Einmalbezüge zu ermitteln und dies auch keine leistungsrechtlichen Auswirkungen entfalte, werde im Rahmen eines Beitragssummenbescheids die Umlage nach der Gesamtsumme der laufenden rentenversicherungspflichtigen Arbeitsentgelte ermittelt.

Der Kläger erhob am 19. März 2010 Widerspruch. Er machte geltend, bei den betroffenen Personen handele es nicht um Arbeitnehmer, sondern um freie Mitarbeiter. § 7 Abs. 2 AAG als die für die Entrichtung der Umlage maßgebliche Vorschrift knüpfe ausdrücklich an den Begriff des Arbeitnehmers im arbeitsrechtlichen Sinne an. "Freie Mitarbeiter" seien jedoch keine Arbeitnehmer. Der Begriff des Arbeitnehmers sei von dem Begriff des Beschäftigten im Sinne des § 7 SGB IV zu unterscheiden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2010 als unbegründet zurück. Bei allen Personen, für die Umlagebeträge nachgefordert würden, handele es sich um abhängig Beschäftigte im Sinne der Sozialversicherung. Diese hätten auch als Arbeitnehmer i.S.v. § 7 Abs. 2 AAG zu gelten.

Der Kläger hat am 26. November 2010 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und an der Ansicht festgehalten, dass für die vorliegend betroffenen "freien Mitarbeiter" keine Teilnahmepflicht am U2-Verfahren bestehe.

Mit Urteil vom 25. Februar 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 aufgehoben. Für die von dem Summenbeitragsbescheid erfassten Personen bestehe keine Umlagepflicht im Umlageverfahren U2. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 7 Abs. 2 AAG sei nicht identisch mit dem Begriff des Beschäftigten beziehungsweise der Beschäftigung in § 7 SGB IV. Arbeitnehmer sei im Grundsatz derjenige, der sich aufgrund eines privatrechtlichen (Arbeits-)Vertrages z...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge