Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld. Einkommensabhängigkeit. Erwerbseinkommen. Dienstunfähigkeit. Versorgungsbezüge

 

Leitsatz (amtlich)

Ob gesundheitliche Gründe der Erziehung von Erwerbseinkommen entgegenstehen, ist für die Anwendung von § 6 Abs. 3 BErzGG grundsätzlich ohne Belang. Auch der Bezug von Versorgungsbezügen wegen Dienstunfähigkeit nach dem Beamtenversorgungsgesetz während des einkommensabhängigen Zeitraums, hindert die Außerachtlassung des im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes bezogenen Erwerbseinkommens aus der damals noch ausgeübten abhängigen Beschäftigung deshalb nicht.

 

Normenkette

BErzGG § 6 Abs. 3 (Fassung vom 06.12.1985), § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Gerichtsbescheid vom 25.03.1993; Aktenzeichen S-22/Eg-1289/91)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 14/14b REg 14/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des beklagten Landes gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 1993 wird zurückgewiesen.

II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 2. Juni 1991 bis zum 31. Oktober 1991 Erziehungsgeld ohne die Anrechnung des von ihr im Jahre 1988 bezogenen Einkommens aus der damals ausgeübten Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin.

Die Klägerin ist seit 1981 mit Herrn W. S. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder J. (geb. 03.12.1988) und D. (geb. 02.12.1990) hervorgegangen. Im streitbefangenen Zeitraum lebten die Eheleute S. in Haushaltsgemeinschaft. Ihre Kinder wurden von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum betreut und erzogen.

Bis zum 28. Februar 1989 stand die Klägerin als Verwaltungsbeamtin im Dienst der Bundesanstalt für Arbeit. Mit Wirkung zum 1. März 1989 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Ab diesem Zeitpunkt erhielt sie bis zum 31. Oktober 1991 Versorgungsbezüge. In dieser Zeit übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus. Mit Wirkung zum 1. November 1991 wurde die Klägerin erneut in das Beamtenverhältnis berufen. Anschließend befand sie sich bis zum 1. Juni 1992 im Erziehungsurlaub.

Im Jahre 1988 bezog die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit abzüglich Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag sowie abzüglich der Werbungskosten in Höhe von … 41.752,00 DM. Bei ihrem Ehemann belief sich dieser Betrag auf 44.032,00 DM.

Aufgrund ihres Antrages vom 28. Dezember 1990 bewilligte das beklagte Land der Klägerin durch Bescheid vom 1. März 1991 Erziehungsgeld für ihren Sohn D. für die Zeit vom 2. Februar 1990 bis zum 1. Juni 1991. Eine weitergehende Erziehungsgeldgewährung lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, der aus § 5 Abs. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zu errechnende Minderungsbetrag übersteige ab dem 7. Lebensmonat des Kindes D. den Leistungssatz von 600,00 DM, so daß ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Erziehungsgeld nicht mehr gegeben sei. Das beklagte Land ging dabei von den Einkünften aus, die durch Bescheid des Finanzamtes Langen vom 10. April 1989 für 1988 der Besteuerung der Klägerin und ihres Ehemannes zugrunde gelegt worden waren. Den Minderungsbetrag errechnete das beklagte Land wie folgt:

Einkünfte des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit

44.032,00 DM

zuzügl. Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit

41.752,00 DM

Gesamtbetrag der Einkünfte

85.784,00 DM

davon abzusetzen

-

festgesetzte Einkommensteuer

15.658,00 DM

-

steuerlich anerkannte Vorsorgeaufwendungen

6.096,00 DM

Einkommen i.S.v. § 6 Abs. 1 BErzGG

64.030,00 DM

abzüglich Freibetrag (§ 6 Abs. 2)

33.600,00 DM

übersteigender Betrag

30.430,00 DM

davon 40 %

12.172,00 DM

davon 1/12 (=Minderungsbetrag)

1.014,33 DM

Gegen den Bescheid vom 1. März 1991 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte aus, der Bezug der Versorgungsbezüge stelle, ähnlich wie derjenige einer Rente, keine Erwerbstätigkeit dar, so daß ihr im Jahre 1988 erzieltes Erwerbseinkommen bei der Berechnung des Erziehungsgeldes gemäß § 6 Abs. 3 BErzGG unberücksichtigt bleiben müsse.

Durch Widerspruchsbescheid vom 15. April 1991 wurde der Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, eine Berechnung nach § 6 Abs. 3 BErzGG sei in Fällen, in denen der Anspruchsberechtigte Ruhegehaltsempfänger sei, nicht zulässig. § 6 Abs. 3 BErzGG dürfte vielmehr nur dann angewendet werden, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wegen fehlender Erwerbstätigkeit entfielen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, so daß wegen der Höhe des Minderungsbetrages Erziehungsgeld nach Ablauf des 6. Lebensmonats von D. habe versagt werden müssen.

Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben. Nachdem sie ab dem 1. November 1991 ihren Erziehungsurlaub antrat und die Versorgungsbezüge mit diesem Zeitpunkt in Wegfall gekommen waren, berechnete das beklagte Land für die Zeit ab November 1991 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides 1988 den Minderungsbetrag nunmehr wie folgt neu:

Einkünfte des Ehemannes

44.032,0...

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