Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. Berechnung der Beschwer nach § 56 Abs 2 iVm § 33 Abs 3 S 1 RVG. Festsetzung des Vergütungsanspruchs in voller Höhe. Anrechnung nach § 58 Abs 2 RVG nur bei tatsächlicher Zahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berechnung der Beschwer nach § 56 Abs 2 iVm § 33 Abs 3 S 1 RVG erfolgt schon aus Gründen der Rechtssicherheit rein formal nach der Differenz zwischen den Anträgen der Beteiligten und dem Tenor der Entscheidung des Gerichts. Sie erfolgt unabhängig von einer anteiligen Kostenübernahme durch den Verfahrensgegner und einer Anrechnung nach § 58 Abs 2 RVG.

2. Der gegenüber der Staatskasse bestehende Vergütungsanspruch aus Prozesskostenhilfe ist durch den Kostenbeamten des Sozialgerichts und ggf nach Erinnerung und Beschwerde durch das Gericht grundsätzlich in voller Höhe festzusetzen. Auf diesen Betrag muss sich der Prozesskostenhilfeberechtigte allerdings die vom Gegner des Ausgangsverfahrens gezahlten außergerichtlichen Kosten in voller Höhe nach § 58 Abs 2 RVG anrechnen lassen.

3. Bei der Anrechnung der Zahlungen nach § 58 Abs 2 RVG kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe Zahlungen geschuldet wurden, sondern nur darauf, in welcher Höhe die Zahlungen tatsächlich geleistet wurden.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 28. Juli 2011 - S 27 SF 37/09 E - wird abgeändert und die aus der Staatskasse an den Beschwerdegegner zu zahlende Vergütung auf 666,40 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung für den der Antragstellerin nach den Vorschriften der Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdegegner.

Im Ausgangsverfahren S 27 AS 1473/08 ER vor dem Sozialgericht Gießen, einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, begehrte die Antragstellerin die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Im Erörterungstermin vom 12. Januar 2009 bewilligte das Sozialgericht der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdegegners ab Antragstellung am 18. November 2008. In der Folge schlossen die Beteiligten nach Zeugenvernehmung einen Vergleich folgenden Inhalts:

“Die Antragsgegnerin erkennt den geltend gemachten Anspruch an und bewilligt der Antragstellerin den Mehrbedarfszuschlag wegen Alleinerziehung für den Zeitraum vom September 2008 bis März 2009.

Die Antragstellerin erklärt die Widersprüche gegen die Bescheide vom 2. Oktober 2008 für erledigt.

Die Antragsgegnerin übernimmt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im notwendigen Umfang.

Die Beteiligten erklären das Einstweilige Anordnungsverfahren im Übrigen für erledigt.„

Mit Kostennote vom 13. Januar 2009 beantragte der Beschwerdegegner gemäß § 45 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.082,90 € festzusetzen. Auszuzahlen sei davon die Hälfte. Dabei stellte er folgende Rechnung auf:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG

 250,00 €

Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV RVG

 300,00 €

Einigungsgebühr gem. Nr. 1005 VV RVG

 300,00 €

Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG

 35,00 €

Post- und Telekommunikationspauschale

gem. Nr. 7002 VV RVG

 20,00 €

Fahrtkosten gem. Nr. 7004 VV RVG

 5,00 €

Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG

 172,90 €

Summe 

1.082,90 €

Laut Schreiben des Beschwerdegegners vom 11. November 2013 zahlte die Antragsgegnerin auf den Vergleich vom 12. Januar 2009 am 1. April 2009 den Betrag von 476,00 € an den Beschwerdegegner.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2009 setzte der Urkundsbeamte des Sozialgerichts Gießen die Vergütung des Beschwerdegegners auf lediglich 952,00 € bzw. in hälftiger Höhe von 476,00 € fest. Zur Begründung wurde angeführt, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sei bei durchschnittlichem Umfang, Schwierigkeit und Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe der Mittelgebühr von 250,00 € zu gewähren. Die Terminsgebühr könne mit 300,00 € deutlich über der Mittelgebühr angesetzt werden, da der Erörterungstermin 1 Stunde 20 Minuten gedauert habe. Die Einigungsgebühr sei allerdings nur in Höhe der Mittelgebühr von 190,00 € angemessen, da kein über die allgemeine Prozessführung hinausgehendes kausales Engagement, das eine höhere Gebühr rechtfertigen könne, erkennbar sei. Der Vergleich sei auf Anraten der Vorsitzenden geschlossen worden.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2009 legte der Beschwerdegegner Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. Februar 2009 ein und begründete dies damit, dass die Höhe der festgesetzten Einigungsgebühr lediglich das vorliegende Eilverfahren berücksichtige. Es habe jedoch ein Mehrvergleich vorgelegen, der das gesamte Vorverfahren und mögliche Klageverfahren gegen die Bescheide vom 2. Oktober 2008 mit erledigt habe. Dies ergebe sich auch aus dem anerkannten Anspruchszeitraum ab September 2008, da die Antragstellung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erst am 18. November 2008 erfolgt sei un...

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