Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsgrund. verfassungskonforme Auslegung. Höhe des Zuschusses zu den Versicherungsbeiträgen zur privaten Krankenversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II

 

Orientierungssatz

1. Der Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen einer privaten Krankenversicherung eines Beziehers von Arbeitslosengeld II, der von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gem § 8 SGB 5 unwiderrufbar befreit und unabhängig von der Beitragshöhe hilfebedürftig ist, ist der Höhe nach auf den für die Leistungsbezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beitrag beschränkt.

2. Die Übernahme der Beiträge in voller Höhe im Wege der analogen Anwendung der Vorschriften des § 12 Abs 1c S 5 VAG, § 26 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 2 ist nicht möglich, da keine planwidrige Regelungslücke vorliegt.

3. Zum Nichtvorliegen eines Anordnungsgrundes für eine Regelungsanordnung gem § 86b Abs 2 S 2 SGG im Hinblick auf die Höhe des Zuschusses nach § 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 unter verfassungskonformer Auslegung.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., B-Stadt, bewilligt.

 

Gründe

I.

Der 1967 geborene Antragsteller übte eine selbstständige Tätigkeit als Elektriker aus und war seitdem bei der Landeskrankenhilfe (LKH) V.V.a.G. privat krankenversichert. Zumindest seit Mai 2000 bezog er Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG); in diesem Rahmen wurden auch die Beiträge zu seiner privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung (seit Januar 2004: 259,23 Euro, davon Krankenversicherung 242,14 Euro) übernommen.

Am 7. Oktober 2004 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom

27. Dezember 2004 entsprach die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK Hessen) einem Antrag des Antragstellers auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht für die Zeit ab 1. Januar 2005. Die Befreiung erfolge nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Sie wirke solange fort, wie der Bezug von Leistungen nach dem SGB II, der Grundlage für die Befreiung sei, bestehe. Dies schließe auch die Versicherungspflicht zur Krankenversicherung nach anderen gesetzlichen Vorschriften aus und könne nicht mehr widerrufen werden.

Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab Januar 2005 fortlaufend. Dabei berücksichtigte sie als Leistungen zur Krankenversicherung einen monatlichen Betrag von zunächst 139,00 Euro und ab September 2007 einen solchen von monatlich 127,50 Euro. Hierbei handelte es sich um den Betrag, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen wäre.

Am 8. Januar 2008 beantragte der Kläger die Übernahme der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 321,09 Euro. Es sei ihm nicht mehr möglich, den ihm zustehenden Krankenversicherungsschutz mit den Mitteln, die er durch Arbeitslosengeld II erhalte, zu tragen; er wäre somit ohne Krankenversicherungsschutz. Eine Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung sei ihm nach Mitteilung der AOK nicht mehr möglich. Der Abschluss eines modifizierten Standardtarifs sei nicht möglich, da er über eine laufende Krankenversicherung verfüge. Der Standardtarif würde für ihn derzeit 444,90 Euro betragen und wäre im Vergleich deutlich höher als sein derzeitiger Monatsbeitrag von 321,09 Euro.

Durch Bescheid vom 9. Januar 2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der vollständigen privaten Krankenversicherungsbeiträge ab. Der Antragsteller erhalte gemäß § 26 SGB II den Zuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung in Höhe des aktuellen Pflichtversicherungsbeitrages ausgezahlt. In der genannten Vorschrift sei eindeutig geregelt, dass ein Zuschuss nur in Höhe des gesetzlichen Beitrages übernommen werden könne. Weitere Beiträge zur privaten Krankenversicherung könnten somit nicht getragen werden. Den dagegen vom Antragsteller eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2008 zurück. Dagegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Wiesbaden (SG) erhoben (S 20 AS 452/08), über die noch nicht entschieden ist.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2009 teilte die LKH dem Antragsteller mit, er sei trotz schriftlicher Mahnung mit der Zahlung von Beiträgen in Höhe von mehr als einem Monatsbeitrag im Rückstand; die Leistungen aus seiner Krankheitskostenversicherung ruhten daher ab dem dritten Tage nach Zugang dieser Mitteilung. Während des Ruhens werde nur für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen oder Schmerzz...

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