Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufskrankheit. Wahrscheinlichkeit der haftungsausfüllenden Kausalität. Cadmiumexposition. Nierenkrebserkrankung. Kausalität. Studienlage

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Nichtanerkennung einer Nierenkrebserkrankung eines Versicherten, der während seiner beruflichen Tätigkeit in nicht unerheblichem Maße gegenüber Cadmiumstäuben exponiert war, als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 1104, weil nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass Cadmium generell geeignet ist ein Nierenzellkarzinom zu verursachen.

 

Normenkette

SGB VII § 9 Abs. 1; BKV Anl. 1 Nr. 1104

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Nierenkarzinoms als Berufskrankheit (BK) im Sinne der Nr. 1104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Bei dem 1943 geborenen Kläger wurde im Januar 1998 ein Nierenzellkarzinom diagnostiziert. Im Februar 1998 wurde in den Städtischen Kliniken Q-Stadt eine radikale Tumornephrektomie sowie eine regionäre Lymphknotendissektion durchgeführt. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 22. Mai 1998 an die Beklagte und gab an, anlässlich einer betriebsärztlichen Untersuchung sei am 5. April 1979 in seinem Urin Cadmium festgestellt worden. Daraus ergebe sich ein direkter Zusammenhang mit seinem Nierentumor. Die anschließenden Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Kläger vom 28. Oktober 1968 bis 1980 in der X. Zweigniederlassung der Firma XY. als Facharbeiter beschäftigt war. 1980 wechselte er in die Zweigniederlassung Y. Von 1968 bis 1970 war er in der Sinterfertigung, von 1977 bis 1980 im Produktionsbereich Silberhalbzeuge und ab 1986 bis 1990 sowie von 1993 bis 1995 im analytischen Labor beschäftigt. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 16. November 1998 war der Kläger während dieser Beschäftigungszeiten gegenüber Cadmiumstäuben exponiert. Der TAD bejahte deshalb das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Entstehung einer Erkrankung durch Cadmium oder seine Verbindungen (BK-Nr. 1104).

Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. Dr. WW., Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität W-Stadt, unter dem 21. Dezember 1998 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Darin führte Prof. Dr. Dr. WW. aus, typisches Zielorgan einer chronischen Cadmium-Belastung stelle die Niere dar. Nierenschäden seien zumeist die einzige Manifestation chronischer Cadmiumvergiftungen. Die Schädigungsmechanismen beträfen insbesondere die Zellen des Tubulusapparates. Die vorliegenden epidemiologischen Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen Krebssterblichkeit nach stattgehabter beruflicher Cadmiumexposition hätten bisher jedoch keine einheitlichen Ergebnisse für den Menschen erbracht. Insbesondere fänden sich keine sicheren Hinweise dafür, dass ein erhöhtes Risiko zum Erwerb von Nierenzellkarzinomen bestehe. Nach dem neuen präventivmedizinischen Einstufungskonzept der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft werde Cadmium als krebserzeugend für den Menschen angesehen. Diese Einschätzung basiere allerdings ausschließlich auf Ergebnissen aus Langzeit-Tierversuchen. Diese Ergebnisse seien jedoch nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar. Ätiopathogenetische oder sogar sozialrechtlich bindende Aussagen ließen sich ohne entsprechende Untersuchungen für den Menschen allein aus Tierversuchen nicht treffen. Beim derzeitigen gesicherten medizinischen Wissensstand sei die generelle Geeignetheit von Cadmium oder seinen Verbindungen, beim Menschen u.a. auch Nierenzellkarzinome zu induzieren, derzeit (noch) zu verneinen.

Nachdem der Landesgewerbearzt unter dem 1. Februar 1999 ausgeführt hatte, sichere Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII zum Zusammenhang zwischen Cadmium und Hypernephrom existierten nicht, teilte die Beklagte mit Bescheid vom 25. März 1999 dem Kläger mit, seine Nierenzellkarzinomerkrankung sei keine BK gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit der BKV und könne auch nicht gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK anerkannt werden.

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. EE., Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der Technischen Universität E-Stadt, vom 26. August 1999 ein. Darin gelangte Prof. Dr. EE. zusammenfassend zu dem Ergebnis, die epidemiologischen Studien ergäben kein einheitliches Bild. Die Kohortenstudien seien negativ. Die wenigen Fall-Kontrollstudien zeigten ein signifikant erhöhtes Risiko. Aufgrund der epidemiologischen Daten alleine lasse sich derzeit der Nachweis einer Assoziation zwischen Cadmium und dem Auftreten von Nierenzellkarzinom nicht führen. Die Daten seien nicht ausreichend, um eine kausale Be...

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