Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich wird Prozesskostenhilfe für ein abgeschlossenes Verfahren nicht mehr gewährt.

2. Eine Ausnahme ist zu machen, wenn der vollständige Antrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, aber nicht beschieden wurde oder wenn der Antrag zwar unvollständig war, aber es das Gericht ausdrücklich oder stillschweigend gestattet hat, fehlende Unterlagen nachzureichen. Eine solche Genehmigung des Gerichts kann auch darin liegen, dass in einem gerichtlichen Vergleich, der das Hauptsacheverfahren beendet, eine Fortführung des PKH-Verfahrens vereinbart wird.

3. Streiten die Beteiligten im Hauptsacheverfahren um die Frage der Verwertbarkeit eines Vermögensgegenstandes, ist für das PKH-Verfahren hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen von Unverwertbarkeit dieses Vermögensgegenstandes auszugehen, weil dem Antragsteller sonst die gerichtliche Überprüfung einer Rechtsposition von vornherein verwehrt wäre bzw diese in das PKH-Verfahren verlagert würde.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. August 2006 wird aufgehoben.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. ab 23. März 2006 bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten stritten in einem Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz darum, ob der Antragsgegner der Antragstellerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren hatte; dabei ging es insbesondere darum, ob ein von der Antragstellerin bewohntes Hausgrundstück als Vermögen zu berücksichtigen war.

Die Antragstellerin erhielt seit 2004 Sozialhilfe. Sie bewohnt ein Hausgrundstück, das nach Auffassung des Antragsgegners einen Wert von 350.000,- Euro hat. Aufgrund Leistungseinstellung mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 erwirkte die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main unter dem 27. Januar 2005 einen Beschluss, wonach der Antragsgegner zur vorläufigen Weitergewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Darlehensbasis verpflichtet wurde (6 G 2876/04 {3}).

Ab 1.Oktober 2005 stellte der Antragsgegner die Leistung erneut ein (Bescheid vom 18. Oktober 2005). Die Beteiligten führten deswegen ein Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Darmstadt (im Folgenden: SG) unter dem Aktenzeichen . In diesem beantragte die Antragstellerin Prozesskostenhilfe (PKH) und legte mit Datum vom 6. Dezember 2005 eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, in der keine Einkünfte und außer dem Grundstück auch keine Vermögenswerte angegeben sind. Der Antragstellerin wurde PKH ohne Ratenzahlung gewährt. Der Rechtsstreit endete durch Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, nachdem der Antragsgegner “ohne Nachgabe im Recht„ die Leistung darlehensweise weiter bewilligt hatte.

Ab Februar 2006 erhielt die Antragstellerin zunächst erneut keine weiteren Leistungen von dem Antragsgegner mehr. Die Antragstellerin strengte daraufhin am 13. März 2006 ein abermaliges Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz beim SG an (S 16 SO 36/06 ER) und beantragte am 23. März 2006 PKH unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Dabei verwies der Prozessbevollmächtigte darauf, dass eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in dem abgeschlossenen Verfahren bereits vorgelegt worden sei. Die wirtschaftlichen Verhältnisse seien im Übrigen offenkundig. Er habe ein Formular an die Antragstellerin übersandt und werde es nachreichen.

Am 9. Juni 2006 beendeten die Beteiligten den Rechtsstreit durch Vergleich. Der Antragsgegner verpflichtete sich, die Leistungen bis 31. Dezember 2006 weiter zu gewähren und 2/3 der Kosten der Antragstellerin zu tragen. Die Antragstellerin betrieb im Gegenzug das Verfahren mit Ausnahme des Antrages auf Bewilligung von PKH nicht weiter.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2006 erinnerte das SG “nochmals„ an die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit Beschluss vom 4. August 2006 lehnte das SG die Bewilligung von PKH ab. Die Antragstellerin sei der Verpflichtung, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen, nicht nachgekommen. Der Beschluss wurde am 8. August 2006 zugestellt.

Mit Schreiben vom 6. September 2006 (Eingang beim SG am 7. September 2006) übersandte der Prozessbevollmächtigte eine ausgefüllte und unterschriebene Erklärung der Antragstellerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Antragstellerin sei offenbar krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, auf seine diversen Schreiben zu reagieren. Auf Anfrage des SG teilte die Antragstellerin mit, ihr Schreiben vom 6. September 2006 solle als Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. August 2006 angesehen werden.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 31. Januar 2007).

II.

Die Beschwerde ist begründet. Der Antragstellerin ist für das...

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