Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. sofortige Vollziehbarkeit. Rücknahme-, Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide. aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Rücknahme- und Aufhebungsbescheide nach den §§ 45, 48 SGB 10 und damit einhergehende Erstattungsbescheide nach § 50 SGB 10 stellen keine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem § 39 Nr 1 SGB 2 dar soweit sie sich auf zurückliegende Zeiträume beziehen..

2. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Rücknahme-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide für die Vergangenheit im Rahmen des SGB 2 kommt deshalb aufschiebende Wirkung nach dem Regelfall des § 86a Abs 1 SGG zu.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 17. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Vollstreckung aus einem Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.03.2006, mit dem die zuvor ergangenen Bescheide vom 20.06.2005 und vom 09.12.2005 über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Monate November 2005 bis Februar 2006 teilweise aufgehoben wurden. Zugleich wurde die Antragstellerin in demselben Bescheid aufgefordert, einen Betrag in Höhe von 331,47 Euro zurückzuzahlen. Zu dem Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid war es gekommen, weil die Antragstellerin es unterlassen hatte, erzielte Einkünfte ordnungsgemäß mitzuteilen. Dadurch war es zu einer Überzahlung in Höhe von 197,22 Euro für die Monate November und Dezember 2005, in Höhe von 79,40 Euro für den Monat Januar 2006 und in Höhe von 54,85 Euro für den Monat Februar 2006 gekommen. Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung: “Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. Der Widerspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden."

Nach einer Zahlungsaufforderung durch das Hauptzollamt GD. und dem anschließenden Erlass eines Pfändungs- und Einziehungsbeschlusses durch dieselbe Behörde hat die Antragstellerin am 27.09.2006 um Eilrechtsschutz nachgesucht. Nach einem rechtlichen Hinweis des Sozialgerichts hat die Antragstellerin am 21.12.2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.03.2006 eingelegt.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.01.2007 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 21.12.2006 gegen den Bescheid vom 17.03.2006 aufschiebende Wirkung hat. Zur Begründung hat das Sozialgericht zunächst dargelegt, dass der Widerspruch als rechtzeitig eingelegt anzusehen ist, da die Rechtsbehelfsbelehrung wegen der fehlenden Bezeichnung der Behörde unvollständig gewesen sei, so dass die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs gelte. Dieser Widerspruch entfalte auch aufschiebende Wirkung. Die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II greife vorliegend nicht ein, da diese Vorschrift über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung nur für Leistungen gelte, nicht aber für Rückforderungsansprüche.

Gegen diesen Beschluss des Sozialgerichts hat sich die Antragsgegnerin mit ihrer beim Sozialgericht Kassel am 16.02.2007 eingegangenen Beschwerde gewandt und vorgetragen, das Wort “Leistung" sei umfassend zu verstehen, es werde weder eine Differenzierung nach Zukunfts- oder Vergangenheitsbezogenheit, einmaligen oder laufenden Leistungen oder Aufhebungen und Rückforderungen vorgenommen, so dass der hier streitige Bescheid unter die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II falle und der Widerspruch dagegen deshalb keine aufschiebende Wirkung entfalte.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 17.01.2007 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz insgesamt abzulehnen.

Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§ 172 SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, bleibt ohne Erfolg.

Das Sozialgericht hat zur Überzeugung des Senats im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.03.2006 festgestellt.

Gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, was dazu führt, dass durch die Einlegung des Widerspruchs der Vollzug des angegriffenen Bescheides gehemmt ist und aus diesem Bescheid nicht mehr vollstreckt werden darf. In § 86a Abs. 2 SGG sind jedoch verschiedene Ausnahmen von dieser Regelung aufgeführt, unter anderem entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Eine solche bundesrechtliche Regelung ergibt sich auch aus § 39 SGB II. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, de...

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