Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrens- und (fiktive) Terminsgebühr bei einer Untätigkeitsklage. Nachträgliche Geltendmachung einer übersehenden Gebühr. Ermessen. Nachweis einzelner Handlungen des Rechtsanwalts. Halbe Mittelgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Höhe der Verfahrensgebühr ist bei einer Untätigkeitsklage im Regelfall in Höhe der halben Mittelgebühr angemessen vergütet.

2. Eine (fiktive) Terminsgebühr nach der RVG-VV Nr 3106 entsteht im Falle einer Untätigkeitsklage nur dann, wenn der Leistungsträger den begehrten Bescheid erlässt, der Rechtsstreit daraufhin für erledigt erklärt wird und zuvor bei Klageerhebung die Frist des § 88 SGG abgelaufen und kein zureichender Grund für eine verspätete Entscheidung des Leistungsträgers vorhanden war.

 

Normenkette

VV-RVG Nrn. 3102, 3106; RVG § 14 Abs. 1, § 3; SGG § 88 Abs. 2; BGB § 315 Abs. 2

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 2013 - S 7 SF 126/12 E - geändert.

Die Vergütung des Beschwerdeführers für seine Tätigkeit im Verfahren S 26 AS 52/12 wird auf insgesamt 230,86 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer war der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren S 26 AS 52/12, einer Untätigkeitsklage, vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Streitig war die Höhe der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II), konkret die Bescheidung eines Widerspruchs des Klägers gegen einen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012. Die am 13. Januar 2012 erhobene Klage wurde durch Erledigungserklärung des Klägers mit Schreiben vom 14. Februar 2012 beendet, nachdem die Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid am 30. Januar 2012 erlassen hatte. Neben der Klageerhebung war bis dahin kein weiterer Schriftsatz des Beschwerdeführers in der Sache mehr übersandt worden. Mit Beschluss vom 17. Februar 2012 bewilligte das Sozialgericht Frankfurt am Main dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung des Beschwerdeführers mit Wirkung ab Antragstellung, d.h. ab dem 13. Januar 2012.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 stellte der Beschwerdeführer für das Verfahren S 26 AS 52/12 insgesamt 172,55 € in Rechnung. Neben einer Post- und Telekommunikationspauschale von 20,00 € machte er dabei eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 125,00 € geltend. Mit Beschluss vom 7. März 2012 setzte die Kostenbeamtin des Sozialgerichts die Vergütung des Beschwerdeführers lediglich in Höhe von insgesamt 114,24 € fest. Dabei ging sie von einer Verfahrensgebühr von lediglich 80,00 € und einer dementsprechend reduzierten Post- und Telekommunikationspauschale von 16,00 € aus. Zur Begründung führte sie aus, Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit seien bei der vorliegenden Untätigkeitsklage an der untersten Grenze im Vergleich zu gleichartigen Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit einzustufen. Der Zeitaufwand beschränke sich auf ein Minimum. Unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sowie der Bedeutung der Angelegenheit sei eine Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr angemessen.

Gegen die Kostenfestsetzung vom 7. März 2012 legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. März 2012 Erinnerung ein mit der Begründung, es sei zumindest eine Verfahrensgebühr von 120,00 € angemessen. Der Erinnerung wurde durch die Kostenbeamtin nicht abgeholfen.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 erfolgte eine Nachliquidation des Beschwerdeführers insoweit, als er zusätzlich eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 45,00 € nebst weiterer Post- und Telekommunikationspauschale von 4,00 €, insgesamt nach Berücksichtigung der Umsatzsteuer gem. Nr. 7007 VV RVG damit weitere 58,31 € in Rechnung setzte.

Mit Beschluss vom 7. März 2013 änderte das Sozialgericht Frankfurt am Main die Kostenfestsetzung dahingehend, dass die dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit in dem Verfahren S 26 AS 52/12 aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 166,00 € festgesetzt wurde. Das Gericht berücksichtigte dabei eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 80,00 €, eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 40,00 €, eine Post- und Telekommunikationspauschale von 20,00 € sowie Umsatzsteuer gem. Nr. 7007 VV RVG in Höhe von 26,60 €. Zur Begründung führte das Gericht aus, zu Recht sei bei der vorliegenden Untätigkeitsklage von einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ausgegangen worden. Für den Regelfall einer Untätigkeitsklage sei eine Gebühr in Höhe von 80,00 € angemessen, aber auch ausreichend. Das Gericht vermöge sich den Entscheidungen des Senates vom 21. März 2012 - L 2 AS 517/11 B - und vom 6. Februar 2012 - L 2 R 2/11 B - nicht anzuschließen. Soweit der Senat in diesen Entscheidungen Gebühren in Höhe der hälftigen Mittelgebühr für angemessen hält, sei diese Einschätzung nicht an...

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