Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. kein Anspruch auf visuelle Restitutionstherapie (VRT). neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Hilfsmittel, dessen Verwendung nicht von dem zugrundeliegenden Behandlungskonzept zu trennen ist. Sperrwirkung des § 135 Abs 1 S 1 SGB 5. kein Ausnahmefall iSd § 2 Abs 1a SGB 5

 

Orientierungssatz

1. Bei der visuellen Restitutionstherapie (VRT) - Gesichtsfeldtherapie zur Behandlung von Gesichtsfeldeinschränkungen - handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, bei der es an der erforderlichen positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) fehlt. Damit ist eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und ein Erstattungsanspruch bei selbstbeschaffter Leistung ausgeschlossen.

2. Bei der VRT handelt es sich nicht lediglich um die Gewährung eines Hilfsmittels nach § 33 SGB 5. Für Hilfsmittel, deren Verwendung nicht von dem zugrundeliegenden Behandlungskonzept zu trennen ist, gilt die Sperrwirkung des § 135 Abs 1 S 1 SGB 5 mit dem grundsätzlichen Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA.

3. Bei beidäugigen ausgeprägten Gesichtsfeldeinschränkungen liegt ferner auch kein Ausnahmefall iSd § 2 Abs 1a SGB 5 vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne eine positive Empfehlung des GBA in der GKV zuzulassen ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie (Visuelle RestitutionsTherapie - VRT) streitig.

Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet nach einer Sinusvenenthrombose mit Stauungsblutung im Gehirn und anschließend durchgeführter Hemikraniektomie im Juni 2014 an linksseitig ausgeprägten Gesichtsfeldeinschränkungen auf beiden Augen. Sie beantragte am 8. Mai 2015 unter Vorlage einer Rechnung der Firma C. GmbH vom 4. Februar 2015, zweier Auswertungsberichte über die ersten beiden Therapiemonate vom 17. März 2015 und 27. April 2015, einer privatärztlichen Verordnung vom 20. April 2015 sowie weiterer Unterlagen die Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 2.350,00 für die am 11. Februar 2015 begonnene Gesichtsfeldtherapie von insgesamt sechsmonatiger Dauer.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da es sich bei dem visuellen Restitutionstraining um eine neue Behandlungsmethode handle, welche bislang vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht anerkannt worden sei. Das Verfahren befinde sich vielmehr noch in der Erprobungsphase. Eine solche außervertragliche Leistung könne nicht übernommen werden.

Am 26. Mai 2015 erhob die Klägerin Widerspruch und bat um Erstattung der verauslagten Kosten für die bislang erfolgreiche Gesichtsfeldtherapie. Die Beklagte holte eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Hessen ein. Die Fachärztin für Augenheilkunde D. kam unter dem 1. Juni 2015 zu dem Ergebnis, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder gleichgestellte Erkrankung nicht vorliege. Als anerkannte Behandlungsmethoden stünden ergotherapeutische Behandlungen bei sensomotorischen und perzeptiven Störungen zur Verfügung. Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 wies die Beklagte auf das Ergebnis der MDK - Begutachtung sowie den fehlenden Beschaffungsweg für die außervertragliche VRT hin. Am 13. August 2015 erhob die Klägerin nochmals Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, weil ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht gegeben sei. Es habe sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Die Beklagte habe die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt, denn die Klägerin habe zuvor keinen Antrag auf Kostenübernahme gestellt, sondern vielmehr mit der Behandlung begonnen, ohne die Beklagte einzuschalten. Die Kosten für die bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode könnten auch deshalb nicht erstattet werden, weil keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege.

Am 22. Oktober 2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, es handle sich nicht um eine ärztliche Behandlung, sondern um die Versorgung mit einem Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V, auf die sie einen Anspruch habe. Selbst bei verspätetem Antrag habe die Therapie noch vier Monate gedauert, womit die Kosten zu erstatten seien.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Januar 2017 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht mit Bescheiden vom 12. Mai 2015 und 18. Juni 2015 und Widerspruchsbescheid v...

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