Entscheidungsstichwort (Thema)

Alkoholerkrankung im Rückfall

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Alkoholerkrankung im Rückfall ist anzunehmen, daß den Arbeitnehmer ein Verschulden an der Erkrankung trifft, das den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließt, wenn der Arbeitnehmer nicht besondere Umstände darlegt, aus denen sich ergibt, daß ihn kein Verschulden an der wiederholten Alkoholerkrankung trifft.

 

Normenkette

BAT § 37

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.12.1984; Aktenzeichen 12 Ca 342/82)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 18.12.1984 – 12 Ca 342/82 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht für den bei ihr versicherten A. H. Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle gegen die Beklagte geltend.

Der Versicherte H. war bei der Beklagten seit 01.04.1978 als Krankenpfleger beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Versicherte war in der Zeit ab 16.11.1981 für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat Lohnfortzahlung bis zum 30.11.1981 geleistet. Für den Rest des 6-Wochen-Lohnfortzahlungszeitraums bis 27.12.1981 verweigert sie die Zahlung mit der Begründung, der Versicherte habe die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Arbeitsunfähigkeit auf Alkoholmißbrauch zurückzuführen war, und daß der Versicherte in den Jahren zuvor mehrfach wegen Alkoholmißbrauchs arbeitsunfähig war.

Bezüglich der streitigen Ansprüche hat die Beklagte auf die Erhebung der Verjährungseinrede und die Berufung auf Ausschlußfristen verzichtet.

Die Klägerin hat folgende Auffassung vertreten: Der Versicherte H. habe die ab 16.11.1981 eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht verschuldet. Es gäbe keinen Erfahrungssatz, wonach bei Alkoholmißbrauch auf Selbstverschulden zu schließen sei. Die Beklagte habe keine Umstände dargetan, aus denen auf ein Verschulden des Versicherten geschlossen werden könne.

Die Klägerin bat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.485,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.07.1982 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht: Sie halte die auf Alkoholmißbrauch beruhende Arbeitsunfähigkeit deshalb für selbstverschuldet, weil der Versicherte verschiedene Entziehungskuren erfolgreich beendet habe und über mehrere Jahre hinweg nicht rückfällig gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, die Beklagte habe für den konkreten Fall keine Umstände für ein Selbstverschulden des Versicherten H. vorgetragen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 19.03.1985 zugestellt. Die Beklagte hat am 19.04.1985 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15.07.1985 die Berufung am 15.07.1985 begründet.

Die Beklagte bleibt dabei, daß der Versicherte nach den Entziehungskuren die beste Grundlage hatte, trocken zu bleiben. Der erneute Rückfall könne nur als Selbstverschulden im Sinne des § 37 BAT gewertet werden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Klägerin wiederholt im wesentlichen ihr Vorbringen des 1. Rechtszuges. Der Versicherte sei chronisch alkoholkrank. Er sei durch pserönliche Lebensumstände ans Trinken gekommen. Die Alkoholkrankheit sei nie ausgeheilt gewesen, sondern chronisch latent. Die Einsichtsfähigkeit des Versicherten in die Notwendigkeit einer Abstinenz sei stark gemindert.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den gesamten Akteninhatl Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Krankheit des Klägers in der Zeit ab 16.11.1981 hat der Versicherte H. grob fährlässig (§ 37 BAT) sich zugezogen.

Mit dem BAG (vgl. Urteil vom 16.06.1980 in BAGE 43 S. 54-65 und AP Nr. 52 zu § 1 LohnFG) ist davon auszugehen, daß die erste Alkoholabhängigkeit des Versicherten eine Krankheit war, und daß diese Krankheit unverschuldet war, weil die Beklagte nichts dafür vorgetragen hat, daß den Versicherten an der Alkoholerkrankung ein Verschulden traf.

Hier geht es aber ausschließlich um die Frage des Verschuldens im Rückfall. Mit dieser Frage hat sich das BAG in der angeführten Entscheidung nicht befaßt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgesprochen, den Beamten könne eine Schuld an der Alkoholerkrankung treffen, wenn er trotz einer stationären Entwöhnungsbehandlung und „eindringlicher Belehrung durch den Dienstvorgesetzten” wieder rückfällig werde (vgl. DÖV 1980 S. 380 f und 382).

Die Kannner folgt dem Bundesverwaltungsgericht, das keinesfalls ausgesprochen hat, daß den Arbeitnehmer im Rückfall ein Verschulden trifft. Es hat lediglich gesagt, den Beamten „könne” e...

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