Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge der fehlenden Vollmachtvorlage

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rüge der fehlenden Vollmachtvorlage kann in entsprechender Anwendung des § 174 BGB auch dann erhoben werden, wenn ein sog. besonderer Vertreter eines rechtfähigen Vereins die Kündigung ausgesprochen hat, ohne gleichzeitig eine Urkunde (z. B. Satzung) über den Umfang seiner Vertretungsbefugnis vorzulegen (Revision zugelassen)

 

Normenkette

BGB §§ 174, 30

 

Verfahrensgang

AG Gießen (Urteil vom 06.08.1986; Aktenzeichen 3 Ca 99/84)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 06.08.1986 abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.02.1984 nicht mit Ablauf des 30.06.1984 beendet wurde.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 19. März 1975, auf dessen Inhalt (vgl. Bl. 8 f. d.A.) verwiesen wird, seit dem 1. April 1975 in dem … für physiologische und klinische Forschung „…” der Beklagten in … angestellt. Der Arbeitsvertrag wurde auf seiten der Beklagten von … und … unterschrieben. § 28 der Satzung der Beklagten hat u. a. folgenden Inhalt:

Institute

  1. Soweit die Institutssatzung nichts anderes bestimmt, steht jedes Institut unter der wissenschaftlichen und verwaltenden Leitung eines Direktors oder Leiters, der folgende Rechte und Pflichten hat:

    1. Er bestellt und entläßt die übrigen wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter; die Anstellungsverträge haben sich im Rahmen der von den zuständigen Gesellschaftsorganen erlassenen allgemeinen Bestimmungen zu halten; soweit es sich um Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Mitgliedes eines Instituts handelt, setzt der Institutsleiter sich zuvor mit diesem ins Benehmen;

Das Schreiben von … an … vom 16. Juli 1982, das allen Mitarbeitern bekannt gemacht wurde, hat u. a. folgenden Inhalt:

Anläßlich der Direktoriumssitzung vom 15. Juli 1982 haben wir beschlossen, daß während meines USA-Aufenthalts, welcher am 2. August 1982 beginnt, Sie die administrative Leitung meiner Abteilung übernehmen. Für den Fall Ihrer Abwesenheit hat sich … bereiterklärt, Sie zu vertreten. Diese Vereinbarung betrifft auch das Recht, Kündigungen oder Hausverbote auszusprechen.

Die Schlichtungsordnung der Beklagten hat u. a. folgenden Inhalt:

§ 1

Können Beschwerden oder Streitigkeiten in einem Institut nicht begelegt werden, so ist jeder Mitarbeiter berechtigt, ein Schlichtungsverfahren zu beantragen. Voraussetzung soll sein, daß die Bemühungen, die Angelegenheit im Institut beizulegen, fehlgeschlagen sind.

Jeder Mitarbeiter, der die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens beantragt hat, hat das Recht, den für ihn zuständigen Betriebsrat hiervon zu unterrichten. Eine ihm gegenüber beabsichtigte ordentliche Kündigung bedarf während der Dauer des Schlichtungsverfahrens der Zustimmung des Betriebsrates.

§ 3

Ein Schlichtungsverfahren wird mit dem Antrag an einen der Schlichtungsberater der zuständigen Sektion eingeleitet.

Nach einer Begutachtung der Arbeitsergebnisse des Klägers durch drei Wissenschaftler ordnete der damalige geschäftsführende Direktor des Instituts, …, im Mai 1983 u. a. an, die Arbeiten des Klägers würden nicht weitergeführt, außer in Form begrenzte Arbeiten auf entsprechende Anweisung hin, die bisher fast ausschließlich von dem Kläger genutzten Laboratorien würden ab Juni 1983 der gesamten Abteilung für experimentelle Kardiologie zur Verfügung stehen und seine Tätigkeit darin sei auf die zugewiesenen Arbeiten zu beschränken.

Unter dem 14. Dezember 1983 schrieb der in dieser Zeit geschäftsführende Direktor des Institutes … an den Kläger, die Institutsleitung sehe keine Möglichkeit, ihn künftig noch sinnvoll zu beschäftigen, legte die Gründe hierfür dar und bat ihn um eine Stellungnahme zu aus seiner Sicht denkbaren Alternativen bis zum 6. Januar 1984.

Mit Schreiben vom 23. Januar 1984 übersandte das Rechtsreferat der Beklagten dem Kläger ein Schreiben vom gleichen Tag an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers und forderte ihn auf, die in diesem Schreiben an den Prozeßbevollmächtigten erbetenen Auskünfte bis zum 6. Februar 1984 zu erteilen. Das Schreiben, das von dem Mitarbeiter … unterzeichnet ist, hat u. a. folgenden Inhalt:

Bei fehlender oder sichtlich unbefriedigender Auskunft, auch nur in einem der angesprochenen Punkte, werden wir die beabsichtigte ordentliche Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1984 auch auf entsprechende verhaltensbedingte Gründe stützen. Dieses Schreiben stellt noch keine Kündigung dar.

Das Schreiben des Rechtsreferats der Beklagten an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das ebenfalls von dem Mitarbeiter der Beklagten … unterzeichnet ist, enthält u. a. folgende Ausführungen:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, das Direktorium des Kerckhoff-Insti...

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