Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung eines Klageantrages in einer Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Umdeutung einer fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung.

2. Zur Frage der Verlängerung der Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage.

3. Zu den Auswirkungen der Beschränkung eines zunächst nur auf die Bekämpfung einer Kündigung als fristlose gerichteten Klageantrages.

4. Zur Begründung einer Kündigung mit einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers.

 

Normenkette

BGB §§ 140, 294-295, 611, 622, 626; ZPO §§ 256, 263; KSchG §§ 1, 4, 6; BUrlG § 7; BetrVG § 102; AFG §§ 19, 229; AEVO § 11

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 31.05.1985; Aktenzeichen 6 Ca 5008/84)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.08.1987; Aktenzeichen 2 AZR 599/86)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. Mai 1985 – 6 Ca 5008/84 – teilweise abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger beantragt hat, festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 05. Oktober 1984 das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht als fristgerechte Kündigung aufgelöst hat und soweit die Beklagte zur Zahlung von 8.000,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1985 verurteilt worden ist.

3. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

4. Die Anschlußberufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 3/5 und der Beklagten 2/5 auferlegt.

6. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Auf Grund eines am 23. Dezember 1983 abgeschlossenen Anstellungsvertrages war der am 01. Dezember 1944 geborene Kläger seit dem 15. Januar 1984 bei der beklagten Firma als Verkaufsleiter für Osteuropa tätig. Sein monatliches Gehalt belief sich auf 8.000,– DM brutto. Außerdem sollte der Kläger eine zusammen mit seinem November-Gehalt auszuzahlende Jahresabschlußleistung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts erhalten; diese sollte ihm aber nur dann zustehen, wenn er sich am Jahresende in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befand. Die Beklagte sprach mit einem Schreiben vom 05. Oktober 1984 gegenüber dem Kläger eine außerordentliche Kündigung aus. In dem Kündigungsbrief wird zur Begründung der fristlosen Entlassung angegeben, dieselbe erfolge wegen „eigenmächtigen Antritts von Urlaub”.

Mit der am 19. Oktober 1984 beim Arbeitsgericht Wiesbaden erhobenen Klage vom 17. Oktober 1984 hat der Kläger sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung gewandt. Er hat ausgeführt, für die fristlose Kündigung fehle ein wichtiger Grund. Er sei ab 22. September 1984 geschäftlich in B. unterwegs gewesen und habe auf der Rückreise eine Fischvergiftung erlitten. Am 28. September 1984 sei er wieder an seinem Wohnsitz eingetroffen. An diesem Tage habe ihn die Mitteilung erreicht, daß sein Vater in P. – (B./T.) verstorben sei. Er sei daraufhin zur Beerdigung seines Vaters in die T. gefahren. Vor seiner Abreise habe er jedoch seinem Vorgesetzten, Herrn S., in einem Schreiben vom 30. September 1984 mitgeteilt, daß er wegen einer dringenden Familienangelegenheit den ihm noch zustehenden Resturlaub für die Fahrt zur Bestattung seines Vaters verwenden wolle. Am 01. Oktober 1984 habe die Ehefrau des Klägers mit dem Personalleiter der Beklagten, Herrn R., telefoniert und diesem ergänzend zu dem Schreiben vom 30. September 1984 eröffnet, daß der Kläger aus den genannten Gründen dringend habe verreisen müssen. Am 06. Oktober 1984 sei der Ehefrau des Klägers das Kündigungsschreiben der Beklagten zugegangen. Daraufhin habe der Kläger seine Reise abgebrochen und sei zurückgekehrt. Bei dieser Sachlage könne keine Rede davon sein, daß er seine Arbeitspflicht durch Fembleiben von der Arbeitsstelle schuldhaft verletzt habe. Dem Interesse der Arbeitgeberin an der Arbeitsleistung stünden hier höherrangige sittliche bzw. rechtliche Pflichten entgegen. Als höherrangige Pflicht komme die Verpflichtung zur Teilnahme am Begräbnis eines nahen Familienangehörigen in Betracht. Wenn der Kläger also an der Bestattung seines Vaters teilgenommen habe, so sei er damit einer sittlichen Verpflichtung nachgekommen. Er sei daher ab 01. Oktober 1984 unverschuldet an seiner Dienstleistung verhindert gewesen. Es komme hinzu, daß der Vorgesetzte des Klägers, Herr S., sich mit dem Kläger dahin abgesprochen habe, daß Herr S. vor dem Kläger, d. h. im Sommer 1984, in Urlaub gehe und der Kläger im Herbst 1984. Dabei habe Herr S. ausdrücklich betont, der Kläger könne dann seinen restlichen Urlaub voll ausschöpfen. Aus diesen Gründen könne die fristlose Kündigung nicht bestehen bleiben. Der Kläger biete weiterhin seine Arbeitskraft an und behalte sich weiteres Vorbringen vor; dies beziehe sich auch auf die Gehaltsansprüche bis zum 31. Dezember 1984 gemäß § 615 BGB.

In der Klageschrift vom 17. Oktober 1984 hat der Kläger seinen Klageantrag dahin formuliert, daß beantragt wird,

festzustellen, daß die fristlose Kündigung der Beklagten vom 05. Oktober 1984 rech...

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