Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung als Insolvenzforderung. Zur Haftung des Betriebserwerbers

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Arbeitnehmer kann von der beklagten Betriebsübernehmerin nicht die Zahlung der Abfindung verlangen, denn der Abfindungsanspruch, der bei der Insolvenzeröffnung bereits entstanden war, stellt keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung dar.

 

Normenkette

BGB § 613 a Abs. 1 S. 1; InsO § 38

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 02.08.2012; Aktenzeichen 2 Ca 141/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 02. August 2012 - 2 Ca 141/12 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger war ab 1. September 2000 bei der A AG beschäftigt, zuletzt als "Personalleiter Zentralbereich Bogen Technik" mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von € 5.500,-. Am 1./4. Juli 2011 schloss der Kläger mit der A AG einen Aufhebungsvertrag, in dem es auszugsweise heißt:

1. "Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen wegen Wegfall des Arbeitsplatzes zur Vermeidung einer sonst auszusprechenden Kündigung zum gleichen Zeitpunkt einvernehmlich am 31.03.2012 endet.

2. Herr B wird ab 04.07.2011 bis zum Vertragsende unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung noch vorhandener Urlaubsansprüche sowie Guthaben auf Arbeitszeitkonten unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

3. A zahlt Herrn B für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß Sozialplan und Interessenausgleich vom 07.12.2010 in Höhe von € 21.296,00 (in Worten: einundzwanzigtausendzweihundertsechsundneunzig) brutto.

Auf die Abfindung kommen die steuerlichen Regelungen zur Anwendung, die zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Abfindungsbetrages maßgebend sind. Die Auszahlung wird mit der Gehaltsabrechnung im März 2012 erfolgen.

4. ...

5. Herr B ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung mit einer Ankündigungsfrist von 1 Woche zum Monatsende vor der vereinbarten Arbeitsvertragsbeendigung gem. Ziffer 1 zu beenden. In diesem Fall erhöht sich die Abfindungsleistung gem. Ziffer 3 um 50% des Betrages, der ansonsten als Vergütungsleistung zwischen dem Datum des tatsächlichen Ausscheidens und der Vertragsbeendigung am 31.03.2012 zu zahlen gewesen wäre. Die Abrechnung und Auszahlung der Abfindung wird dann mit der Gehaltsabrechnung des jeweiligen Austrittsmonats fällig und ausgezahlt."

Von dem Recht nach Ziffer 5 des Vertrags machte der Kläger keinen Gebrauch. Am 1. Februar 2012 wurde über das Vermögen der A AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte kaufte vom Insolvenzverwalter das bewegliche Anlagevermögen und das Umlaufvermögen des Geschäftsbetriebs "Bogen" und verpflichtete sich, die Arbeits- und Dauerschuldverhältnisse und die Kunden- und Lieferantenverträge aus dem Geschäftsbetrieb "Bogen" zu übernehmen. Sie führte den Geschäftsbetrieb "Bogen" ohne Unterbrechung fort und nutzte dabei auch die Betriebsgrundstücke und die gewerblichen Schutzrechte, die ihr aufgrund eines Mietvertrags bzw. eines Lizenzvertrags zur Verfügung standen bzw. stehen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Abfindungsanspruch sei erst nach dem Betriebsübergang am 31. März 2012 entstanden, so dass die Beklagte als Betriebsübernehmerin für den Anspruch hafte. Es gebe keinen Hinweis dafür, dass Entstehung und Fälligkeit der Forderung auseinander fallen sollten. Vielmehr ergebe sich aus dem Zweck der Regelung - dem Ausgleich von finanziellen Nachteilen -, dass die Entstehung erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewollt gewesen sei, wie dies auch für die Abfindung nach § 1a KSchG gelte.

Der Kläger hat zunächst neben der Zahlung der Abfindung auch die Zahlung des bei Klageerhebung noch ausstehenden Gehalts für den Monat März 2012 begehrt. Nachdem die Beklagte das Märzgehalt nach Klageerhebung an den Kläger geleistet hatte und die Parteien insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 21.296,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, der Abfindungsanspruch sei eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO, da er vor der Insolvenzeröffnung entstanden sei.

Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hat der Klage durch Urteil vom 2. August 2012 - 2 Ca 141/12 - stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Parteien den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung nach der im Vertrag verlautbarten Interessenlage auf den Zeitpunkt des Ausscheidens gelegt hätten.

Das Urteil ist der Beklagten am 13. August 2...

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