keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mittelbare Diskriminierung. Abfindung. Erziehungsurlaub

 

Leitsatz (amtlich)

Anspruch auf höhere Abfindung gemäß § 612 Abs. 3 BGB nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufgrund eines „Abfindungsangebotes” des Arbeitgebers an mindestens 100 Arbeitnehmer/innen, da die Nichtberücksichtigung von Erziehungsurlaub / Elternzeit bei Frauen zu Nachteilen bei der Berechnung der Abfindung führte.

 

Normenkette

BGB § 612 Abs. 3; EG-Vertrag Art. 141; TzBfG 4 I

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 4 Ca 6082/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.02.2007; Aktenzeichen 9 AZR 729/05)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.631,97 EUR (i.W.: sechstausendsechshunderteinunddreißig 97/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¾, die Beklagte zu ¼.

Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Abfindungsforderung.

Die Klägerin war vom 2. März 1988 bis zum 31. Dezember 2002 bei der Beklagten als Flugbegleiterin zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von zuletzt Euro 3.267;– beschäftigt.

Im Jahr 2002 unterbreitete die Beklagte zunächst 100 Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern ein bis zum 31. Dezember 2002 geltendes Abfindungsangebot. Das „Abfindungsangebot für Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter der Vergütungsstufe 7 und höher” sah bei Ausscheiden bis zum Jahresende für jedes volle Flugbegleiterbeschäftigungsjahr eine Abfindung in Höhe von 1,5 Monatsvergütungen vor. Weiter lautet es in der Mitteilung der Personalabteilung: „Mitarbeiter, die innerhalb der letzten 5 Jahre Teilzeit gearbeitet haben, erhalten die Abfindungssumme in Höhe ihrer durchschnittlichen Beschäftigung.

Welche Besonderheiten bestehen bei Teilzeit ? Haben Sie in den vergangenen fünf Jahren Teilzeit gearbeitet, bemisst sich ihre Abfindungssumme nach dem Grad ihrer Teilzeitbeschäftigung in diesem Zeitraum. Demnach wirkt sich eine z.B. erst im laufenden Jahr erstmals erhaltene oder erhöhte Teilzeit nur anteilig aus. Hierzu ermitteln wir Ihre durchschnittliche Beschäftigungsquote in den Jahren 1998 bis 2002. Abwesenheitszeiten durch Erziehungsurlaub oder unbezahlten Sonderurlaub bleiben unberücksichtigt. Es werden nur die aktiven Arbeitsmonate betrachtet.

…”

Unter dem 8. November 2002 unterzeichnete die Klägerin einen Aufhebungsvertrag, demzufolge das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2002 endete und die Beklagte ihr eine Abfindung in Höhe von Euro 33.170,– brutto zahlte. Unter 7. vereinbarten die Parteien:

„Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung sind mit der Erfüllung dieses Vertrages abgegolten.”

Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen weiteren Abfindungsanspruch geltend gemacht. Sie hat gemeint, die Beklagte habe die Abfindungssumme fehlerhaft berechnet. Ihr stünde mindestens ein Betrag in Höhe von Euro 34.470,– zu. Sie ist der Ansicht gewesen, das von der Beklagten unterbreitete Abfindungsangebot sei unwirksam, da sie als Frau, die in Teilzeit gearbeitet und darüber hinaus Erziehungsurlaub / Elternzeit in Anspruch genommen hätte, diskriminiert werde. Deshalb seien bei Berechnung der Abfindung die von ihr bei der Beklagten zurückgelegten 12 Beschäftigungsjahre zu Grunde zu legen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Euro 24.640,– nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Berücksichtigung von Elternzeit im Rahmen von Sozialplanabfindungen sei auf einzelvertragliche Vereinbarungen nicht übertragbar. Letztlich habe die Klägerin das Abfindungsangebot unterbreitet, welches von der Beklagten angenommen worden sei. Und schließlich stehe der Klägerin ein weiterer Abfindungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil im Aufhebungsvertrag eine allgemeine Abgeltungsklausel vereinbart worden sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Urteil vom 16. März 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die allgemeine Abgeltungsklausel in Ziff. 7. des Aufhebungsvertrages erfasse auch etwaige Ansprüche der Klägerin wegen einer Diskriminierung. Der Sinn einer solchen Abgeltungsklausel bestehe darin, dass mit der getroffenen Vereinbarung wechselseitig keinerlei weitere Ansprüche mehr geltend gemacht werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen das ihr am 28. Mai 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Juni 2005 Berufung eingelegt und diese gle...

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