Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsausschluss für Tätlichkeiten. Begriff der betrieblichen Tätigkeit. Voraussetzungen einer Schmerzensgeldrente

 

Leitsatz (amtlich)

Das Werfen eines Wuchtgewichts für Autoreifen in einer Kfz-Werkstatt ist keine betriebliche Tätigkeit. Für die dadurch entstandene Augenverletzung eines Arbeitskollegen haftet der Arbeitnehmer in vollem Umfang.

Zu den Voraussetzungen einer Schmerzensgeldrente.

 

Orientierungssatz

Eine betriebliche Tätigkeit liegt vor, wenn der Schädiger bei objektiver Betrachtungsweise aus seiner Sicht im Betriebsinteresse handeln durfte, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch ist und keinen Exzess darstellt.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2, § 276 Abs. 1; SGB VII § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1; BGB § 276 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 24.01.2013; Aktenzeichen 19 Ca 4510/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.03.2015; Aktenzeichen 8 AZR 67/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 2013 - 19 Ca 4510/12 - abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 25.000,00 EUR (in Worten: Fünfundzwanzigtausend und 00/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05. Mai 2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Von den erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 84 %, der Beklagte 16 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeldansprüche sowie um die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten.

Der ... 1993 geborene Kläger war ebenso wie der - z. Zt. arbeitslose und über keine erheblichen Geldmittel verfügende - Beklagte in der ersten Jahreshälfte 2011 als Auszubildender bei der A GmbH und Co. KG beschäftigt, die in B einen Kfz-Handel nebst Werkstatt und dazugehörigem Lager unterhält. Das Lager des Ausbildungsbetriebes besteht aus einer Reihe von Räumlichkeiten, die auf mehrere Etagen verteilt sind. Im 3. Stock befindet sich ein rechteckig geschnittener Raum, in dem eine Maschine zum Auswuchten von Autorädern aufgestellt ist. Sie befindet sich an einem Ende des Arbeitsraumes. Am anderen Ende befinden sich Durchgänge zu angrenzenden Räumen sowie der Zugang zu einem Aufzug. Wegen der Einzelheiten wird auf die Skizze auf Bl. 71 d.A. sowie die Lichtbilder auf Bl 73 und 74 d.A. verwiesen.

Am Morgen des 24. Februar 2011 befanden sich der Kläger, der Beklagte, der Zeuge C und der Zeuge D gegen 08.15 Uhr gleichzeitig im Arbeitsraum. Der Beklagte stand an der Wuchtmaschine, der Kläger am anderen Ende des Raumes in der Nähe der Aufzugstür. Die Distanz ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte warf sodann ohne Vorwarnung ein ca. 10 Gramm schweres sog. Wuchtgewicht aus Aluminium durch den Arbeitsraum. Dieses traf den Kläger am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Der Kläger trug eine Hornhautverletzung sowie eine Oberlidrandverletzung davon und wurde in eine Augenklinik verbracht, wo er sich bis zum 03. März 2011 einer stationären Behandlung (einschließlich operativer Versorgung) unterzog.

Nach diesem Vorfall machte der Kläger anwaltlich vertreten Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten geltend. Dessen Haftpflichtversicherung wies die Ansprüche mit Schreiben vom 03. Mai 2011, welches der damaligen Rechtsanwältin des Klägers am 05. Mai 2011 zuging, zurück.

Am 29. September 2011 wurde der Kläger erneut in einer Augenklinik untersucht. Der Zustand des linken Auges nach der am 24. Februar 2011 entstandenen Hornhautverletzung und der daraufhin durchgeführten Hornhautnaht wurden untersucht. Der Befund enthält Angaben zur Existenz einer Hornhautnarbe, einer zunehmenden Visusverschlechterung sowie einer Linsentrübung. Der Kläger würde über die Möglichkeit und die Risiken einer Kataraktoperation hingewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 12f. d.A. verwiesen. Am 21. Dezember 2011 ließ sich der Kläger augenärztlich zum Zwecke der Erstellung eines sog. ersten Rentengutachtens für die Berufsgenossenschaft Holz und Metall untersuchen. Es wurden insb. eine massive Sehverminderung am linken Auge, das Vorliegen einer Hornhautnarbe sowie das Fehlen räumlichen Sehvermögens attestiert. Wegen der Einzelheiten des Rentengutachtens, welches am 06. Februar 2012 erstellt wurde, wird auf Bl. 16ff. d.A. verwiesen. Vom 21. bis 25. März 2012 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung in einer Augenklinik. Er unterzog sich einem weiteren operativen Eingriff am linken Auge, bei dem eine Kunstlinse (Hinterkammerlinse) ins linke Auge eingesetzt wurde. Ihm wurde mitgeteilt, dass trotz komplikationslosen Verlaufs der Operation aufgrund der Hornhautnarbe eine Visuseinschränkung verbleiben werde. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 14f. d.A. verwiesen.

Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall zahlt...

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