Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Verweigerung eines ordnungsgemäß beantragten Urlaubs ohne Gründe. Höhe des Urlaubsanspruchs im Geltungsbereich des MTV Uniklinikum Gießen und Marburg

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen ordnungsgemäß beantragten Urlaub ohne Gründe verweigert, wandelt sich dieser Urlaubsanspruch gem. den §§ 275,280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1, 286 Abs. 1, 287 S. 2,249 BGB in einen Schadensersatzanspruch um.

2. Für das Jahr 2016 hat die klagende Partei einen erhöhten Urlaubsanspruch. Der Ersatzurlaubsanspruch folgt aus der tariflichen Bestimmung des § 29 Nr. 3 MTV Uniklinikum Gießen und Marburg iVm der Besitzstandsklausel in der Anlage 1b zu diesem Tarifvertrag und Art. III § 1 TV zu § 71 BAT iVm § 4 Abs. 1 S. 2 Hessische Urlaubsverordnung 1982. Diese Bestimmungen sind wegen §§ 7 und 1 AGG auf den Kläger so anzuwenden, als hätte er bereits bei Inkrafttreten des MTV VKGM das 50. Lebensjahr vollendet gehabt („Rechtsfolge einer Anpassung nach oben“ – BAG v. 11.12.2018).

3. Aber auch die vom Arbeitgeber geltend gemachten Einwände, wie eine konkludente Abbedingung des tariflichen Mehrurlaubs, eine Verwirkung des geltend gemachten Anspruchs oder eine fehlende Ungleichbehandlung im Hinblick auf einen tariflichen oder arbeitsvertraglichen Mehrurlaub greifen vorliegend nicht durch.

 

Normenkette

MTV Uniklinikum Gießen und Marburg § 29 Nr. 3; HUrlVO 1982 § 4 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 275, 280 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 06.09.2017; Aktenzeichen 7 Ca 65/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen – 7 Ca 65/17 – vom 06. September 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Ersatzurlaub für das Jahr 2016.

Der Kläger ist am xx.xx. 1962 geboren. Er ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit dem 15. September 1989 angestellt. Der Kläger ist bei der Beklagten im Universitätsklinikum A als Apotheker beschäftigt. Der Kläger war und ist kein Mitglied einer tarifschließenden Gewerkschaft und wurde anfangs auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages für Angestellte zwischen ihm und dem Land Hessen vom 15. September 1989 beschäftigt. Wegen der Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18. Mai 2017 (Bl. 22 f. d. A.) verwiesen. Mit der Beklagten hat der Kläger unter dem 11. April 2016 einen Anstellungsvertrag abgeschlossen. Danach sollte der Kläger als Apotheker bei der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden. Im § 11 Abs. 2 ist folgendes festgehalten:

„Ist keine Tarifbindung des Mitarbeiters an einen bei der Gesellschaft geltenden Tarifvertrag gegeben und sind auf das Arbeitsverhältnis keine Tarifvertragsvorschriften Kraft gesetzlicher Anordnung anzuwenden, finden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils für die relative Mehrheit der in der Gesellschaft tätigen Mitarbeiter gemäß Abs. 1 angewendeten Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.“

In § 11 dieses Anstellungsvertrages ist dann geregelt, dass bei einer entsprechenden Gewerkschaftszugehörigkeit der Mitarbeiter an die bei der Gesellschaft geltenden Tarifverträge gebunden ist. Es sollen dann auch nur ausschließlich diese Tarifverträge Anwendung finden. In § 11 Abs. 4 dieses Anstellungsvertrages ist dann noch geregelt, dass für den Fall, dass jegliche Tarifbindung bei der Gesellschaft entfällt, die zu diesem Zeitpunkt gemäß § 11 Abs. 2 des Arbeitsvertrages anwendbaren Tarifverträge statisch in der zuletzt gültigen Fassung fortgelten, soweit sie nicht durch andere Abmachungen ersetzt werden. Wegen der Einzelheiten dieses Anstellungsvertrages wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 10 ff. d. A.) Bezug genommen. Der Kläger erzielt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 5.087,00.

Es ist zwischen den Parteien im Ausgangspunkt unstreitig, dass es sich bei dem Tarifvertrag, der aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, um den Manteltarifvertrag vom 05. Dezember 2007 zwischen der Universitätsklinikum B und A GmbH und der Gewerkschaft Ver.di handelt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages am 01. Januar 2008 war Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien der Arbeitsvertrag des Klägers mit dem Land Hessen vom 03. Januar 1991 in Verbindung mit der Vertragsänderung vom 07. Mai 1993.

In § 2 des Vertrages vom 03. Januar 1991 war geregelt, dass das Arbeitsverhältnis sich nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung bestimmt. Außerdem, so hieß es, fanden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Das Land Hessen trat zum 31. März 2004 aus der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) aus. Es hat in der Folgezeit u. a. das Universitätsklinikum A zunächst in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt und im Jahr 2005 privatisiert und per Gesetz auf die Bekl...

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