Entscheidungsstichwort (Thema)

Pausenzeit während der Nachtwache

 

Leitsatz (amtlich)

Es geht im Streitfalle um die Frage, inwieweit ein als Nachtwache eingesetzter Kranken- und Altenpfleger, welcher in einer geschlossenen Einrichtung – gemeinsam mit einer angelernten Hilfskraft – ca. 75 psychisch erkrankte ältere Menschen während der Nachtzeit zu betreuen hat, die auf Wunsch der Mitarbeiter-Vertretung vereinbarte Pausen-Regelung generell unbeachtet lassen kann, weil er sich aus Verantwortung für die zu betreuenden Heimbewohner auch während der Pausenzeit ständig in Arbeitsbereitschaft befinden müsse (Einzelfall).

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Urteil vom 10.10.1990; Aktenzeichen 1 Ca 250/90)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg/Lahn vom 10. Oktober 1990 – Az.: 1 Ca 250/90 – geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf 17.193,45 DM festgesetzt.

Es wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Bezahlung von Pausen-Zeiten während des Nachtwache-Dienstes.

Der Kläger ist seit dem 15.04.1983 bei dem Beklagten, welcher u.a. in M. daß Altenpflegeheim „E.” betreibt, als Krankenpfleger beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien sind – gem. § 2 des zwischen ihnen vereinbarten Arbeitsvertrages vom 29.03.1983 (Bl. 62/63 d.A.) – die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung (Hülle Bl. 66 d.A.) maßgebend. Der Kläger ist bereits seit längerem regelmäßig im Nachtdienst eingesetzt.

Bei dem Beklagten existiert eine – mit der Mitarbeitervertretung abgestimmte – Pausenregelung vom 19.06.1985 (Bl. 10/11 d.A.), wonach während der durchzuführenden Nachtwache (20.45 Uhr bis 7.15 Uhr) die erste Nachtwache von 23.00 Uhr bis 23.30 Uhr und von 2.00 Uhr bis 2.30 Uhr Pause hat, während für die zweite Nachtwache die Zeiten von 23.30 Uhr bis 24.00 Uhr sowie von 2.30 Uhr bis 3.00 Uhr als Pause festgesetzt ist. Diese Pausenregelung war und ist dem Kläger seit Anbeginn bekannt.

In dem Altenpflegeheim „E.” werden regelmäßig 75 Personen der Pflegesatzgruppe IV (= höchste Pflegestufe) in 3 auf verschiedene Stockwerke verteilten Wohnbereichen durch 2 Nachtwachen betreut. Jeweils ein Wohnbereich ist nicht besetzt, weshalb seitens des Beklagten angeordnet ist, daß der nicht besetzte Bereich halbstündig kontrolliert werden muß. In den Pausen einer Nachtwache ist somit die andere Nachtwache für alle 3 Wohnbereiche zuständig. Außer dem Kläger wird in der Regel eine durch ungelernte, d.h. unexaminierte Hilfskraft zur Nachtwache herangezogen.

Mit einem Schreiben vom August 1989 machte der Kläger bei dem Beklagten die zukünftige Bezahlung dieser Pausenzeiten als Arbeitszeit geltend, weil er die vorgeschriebenen Pausen in Wirklichkeit nicht nehmen könne; der Beklagte lehnte indes das Begehren des Klägers wiederholt, letztmals mit Schreiben vom 22.05.1990 (Bl. 5 d.A.) ab.

Mit der vorliegenden, am 05.07.1990 zugestellten Zahlungsklage nimmt der Kläger den Beklagten nunmehr auf Zahlung der Pausenzeiten gerichtlich in Anspruch. Hierzu macht er – unter Hinweis auf eine neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung – im einzelnen geltend, ausweislich einer Aufstellung des Beklagten vom 01.06.1990 (Bl. 6 d.A.) seien für ihn in der Zeit vom 07.09.1989 bis zum 31.05.1990 „Pausen” im Umfang von 135 Stunden, davon 42 Stunden an Wochenenden und Feiertagen, angefallen, welche ihm – trotz seiner dienstlichen Anwesenheit und jederzeitigen Dienstbereitschaft – vom Beklagten nicht bezahlt würden. Nach seiner Berechnung stehe ihm daher –unter Berücksichtigung seines Bruttostundenentgelts von DM 23,83 sowie des Feiertagszuschlags für 42 Stunden – für jenen Zeitraum noch ein Betrag von DM 3.467,37 brutto zu. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm der Beklagte auch ab dem 01.06.1990 die während der Nachtschicht gewährten Freistellungsstunden zu vergüten habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 3.467,37 brutto zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die dem Kläger ab dem 01.06.1990. während der Nachtschicht gewährten Freistellungsstunden zu vergüten sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Darstellung handelt es sich bei den vorgesehenen Pausen um Zeiten, in denen die pausierende Nachtwache sich erholen und auch das Heim verlassen könne, da sie während jenes Zeitraums auf Klingelzeichen nicht reagieren müsse. Die vorgesehenen Pausenzeiten würden zudem von den Nachtwachen, darunter auch dem Kläger selbst, grundsätzlich eingehalten, was aufgrund ihrer unterschiedlichen zeitlichen Einteilung ohne weiteres durchführbar sei; mithin liege während der Pausen weder Bereitschaftsdienst noch Rufbereitschaft vor.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 10.10.1990 verkündeten Urteil dem Klage- und Feststellungsbegehren des Klägers in vollem Umfang e...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge