Revision zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgabe des Begriffs der schadensgeneigten Arbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Haftungsbeschränkende Grundsätze gelten allgemein für betriebliche Tätigkeiten eines Arbeitnehmers ohne Rücksicht darauf, ob diese Tätigkeiten gefahrgeneigt sind.

2. Schädigt ein Arbeitnehmer ohne grobe Fahrlässigkeit bei betrieblicher Tätigkeit den Arbeitgeber, so ist grundsätzlich der Schaden nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgrundsätzen quotenmäßig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verteilen, sofern keine individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarung über weitergehende Haftungserleichterungen besteht (Fortführung der BAG-Urteile vom 24.11.1987 – 8 AZR 66, 332, 524 und 590/82 –, Pressemitteilung, DB 1987, 2522). Dabei kann im Einzelfall der Haftungsanteil des Arbeitnehmers auch Null betragen.

 

Normenkette

BGB § 611; MTB II §§ 11a, 72

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 06.05.1987; Aktenzeichen 2 Ca 30/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 6. Mai 1987 – 2 Ca 30/97 – abgeändert.

die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Die Revision gegen diesen Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte der klagenden Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz zu leisten hat.

Der Beklagte ist seit Oktober 1975 bei der Bundeswehr angestellt, und zwar als Zivilkraftfahrer. Er ist eingesetzt im Teile-Depot H. -N. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Vereinbarung der MTB II Anwendung.

Am 14.1.1986 fuhr der Beklagte im Rahmen seines Dienstes auf dem Dienstgelände den beladenen Gabelstapler (3 t) von Typ EFG 3/1435 R 14 und mit dem amtlichen Kennzeichen Y. er rammte dabei den abgestellten Pkw VW-Passat (amtl. Kennzeichen: Y–), der im Eigentum der Klägerin steht. Die Behebung des an dem Pkw entstandenen Schadens kostete 1.136,12 DM (vgl. Rechnungs-Fotokopie Bl. 7/8 d.A.).

Am 15.1.1986 befuhr der Beklagte wiederum mit dem genannten Gabelstapler im Rahmen seines Dienstes das Dienstgelände. Dabei rammte er einen abgestellten Anhänger, der im Eigentum der Klägerin steht. Die Beseitigung des dadurch verursachten Schadens kostete 126,– DM.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, der Beklagte habe beide Schäden grob fahrlässig herbeigeführt und sei damit verpflichtet, den vollen Schaden in der Gesamthöhe von 1.262,12 DM zu ersetzen. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte sei ausführlich in die besonderen Sorgfaltspflichten beim Führen von Gabelstaplern (Flurförderfahrzeugen) eingewiesen worden und habe den Empfang dieser Einweisung schriftlich bestätigt. Gegenstand der Einweisung sei auch und insbesondere gewesen, daß beladene Gabelstapler entweder rückwärts gefahren werden müßten oder aber – beim Vorwärtsfahren – eine weitere Person als Einweiser hinzugezogen werden müsse. Am 14.1.1986 sei der Beklagte weisungswidrig ohne Einweiser vorwärts gefahren. Er habe dabei die Fahrbahnmitte infolge fehlender Sicht überschritten, und durch Gegenlenkmaßnahmen sei der Gabelstapler ausgeschert und habe den Pkw beschädigt. Am 15.1.1986 sei der Beklagte wiederum ohne Einweiser vorwärts gefahren. Er habe keine Sicht gehabt, sei zu weit nach links gekommen und habe dies korrigieren wollen; dabei seien 3 von den geladenen Bügeln heruntergefallen, der Stapler habe sie überrollt und sei dabei heftig nach links ausgeschert, wobei der Anhänger gerammt worden sei. Für die Schäden habe der Beklagte selbst einzutreten, nachdem die Diensthaftpflichtversicherung des Beklagten die Regulierung des Schadens abgelehnt habe. Endlich seien die Schäden mit den Schreiben der zuständigen Wehrbereichsverwaltung IV vom 7.4.1986 und 17.4.1986 (Fotokopien Bl. 12 und 13 d.A.) rechtzeitig geltend gemacht worden.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.262,12 nebst 6,5 % Zinsen seit dem 15.1.1986 zu zahlen.

Demgegenüber hat der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, nicht zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Er habe sich zunächst nicht grob fahrlässig verhalten. Dabei spiele es zum einen eine Rolle, daß ihm gar kein Einweiser zur Verfügung gestellt worden sei. Der zweite Mann, der mit ihm zusammen an beiden Tagen beim Entladen der Lkw’s eingesetzt gewesen sei, habe schon aus Zeitgründen nicht ständig vom Lkw herunterklettern und als Einweiser fungieren können. Zum anderen habe er eine Anweisung, daß beim Vorwärtsfahren stets ein Einweiser hinzuzuziehen sei, nicht erhalten. Darüber hinaus habe es sich bei seiner Tätigkeit um gefahrgeneigte Arbeit gehandelt. Am 14.1.1986 habe er durch eine nur knapp 3 m breite Fahrgasse fahren müssen, zwischen beiderseits abgestellten Fahrzeugen und Anhängern. Plötzlich sei die Ladung verruscht, und durch die erforderliche Lenkkorrektur sei der Stapler ausgeschert und habe den abgestellten Pkw gestreift. Am 15.1.1986 habe er sog. Spriegel (Halterungen für Paletten) geholt, und aufgrund...

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