Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Anspruchs auf Zahlung von Verzugszinsen auf Beiträge zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die ULAK ist berechtigt, Verzugszinsen für Zeiträume zu erheben, in denen das SokaSiG kraft Rückwirkung gilt. Die Bauarbeitgeber mussten grundsätzlich in Betracht ziehen, dass die Beitragsansprüche wegen einer wirksamen Allgemeinverbindlicherklärung zu Recht bestanden haben, so dass bei Nichtleistung der Vorwurf der Fahrlässigkeit erhoben werden kann, § 286 Abs. 4 BGB.

2. Die Verzugszinshöhe des durch den Änderungstarifvertrag vom 3. Mai 2013 eingeführten § 20 Abs. 1 VTV in Höhe von 1 % der Beitragsforderung pro angefangenen Monat ist nicht zu beanstanden

 

Normenkette

SokaSiG § 7 Abs. 3; BGB § 286; VTV 2013 § 20 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.01.2017; Aktenzeichen 11 Ca 1851/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. Januar 2017- 11 Ca 1851/16 - abgeändert. Unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 07. Dezember 2016 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 626,24 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Klägers im Termin am 07. Dezember 2016, die der Kläger zu tragen hat. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten, Verzugszinsen auf Beiträge zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes zu zahlen.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, begehrt er von der Beklagten nach Verbindung von zwei ursprünglich getrennten Verfahren Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 626,54 Euro. Der Verzugszinsberechnung liegen gemeldete Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Januar bis November 2014 zugrunde. Diese Beiträge sind Gegenstand eines Parallelrechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden - 11 Ca 1840/16 -, welches vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht das Aktenzeichen 10 Sa 210/17 führt.

Die Beklagte, die nicht Mitglied eines der den VTV abschließenden Tarifpartner ist, ist im Bereich der Horizontalbohrungen tätig.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zur Beitragszahlung verpflichtet sei, daraus folge auch die Pflicht, Zinsen zu entrichten. Die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15,AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.

In dem Termin vom 7. Dezember 2016 hat der Kläger keinen Antrag stellen lassen. Auf Antrag der Beklagten ist ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Dieses Versäumnisurteil ist dem Kläger am 19. Dezember 2016 zugestellt worden. Am gleichen Tag hat der Kläger beim Arbeitsgericht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 626,24 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2016 aufrechtzuerhalten.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Sie hat gemeint, dass die AVE 2014 des VTV unwirksam sei. Die Klage sei ohne weiteres abweisungsreif.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11. Januar 2017 das Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2016 aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht nach § 5 Abs. 4 TVG an den VTV gebunden. Aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016 stünde fest, dass die AVE 2014 unwirksam sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG berufen. Schließlich könne der Kläger seine Ansprüche auch nicht auf die Vorschriften der §§ 8 Ziff. 15 BRTV, 32 Abs. 1 BBTV sowie 20 Abs. 1 und 6 TZA Bau stützen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils erster Instanz wird verwiesen auf Bl. 48 - 57 der Akte.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 31. Januar 2017 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 8. Februar 2017 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. April 2017 ist die Berufungsbegründung am 2. Mai 2017 bei Gericht eingeg...

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