Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Zustandekommens des SokaSiG. Verjährung von Ansprüchen bei Umstellung einer Mindestbeitragsklage auf die tatsächlich angefallenen Beträge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das SokaSiG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Bundesrat war nicht nach Art. 84 GG zu beteiligen. Die Länder müssen das SokaSiG nicht verwaltungsmäßig vollziehen. Die ULAK bleibt auch nach dem SokaSiG eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien; sie ist keine Behörde und auch kein "Beliehener".

2. Stellt die ULAK die Mindestbeitragsklage nach Meldungen durch den Bauarbeitgeber im laufenden Prozess auf die tatsächlich angefallenen Beiträge um, ist dies solange verjährungsunschädlich, wie sie keine Klageerweiterung vornimmt. Hält sie sich im Rahmen des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Streitgegenstands, kann sie einzelne Berechnungsposten - etwa zwei anstelle von einem gewerblichen Arbeitnehmer - im Nachhinein modifizieren

 

Normenkette

SokaSiG § 7; GG Art. 74 Nr. 12, Art. 84 Abs. 1; VTV-Bau §§ 18, 21; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 213

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 06.12.2017; Aktenzeichen 6 Ca 733/17)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Dezember 2017 - 6 Ca 733/17 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nimmt er den Beklagten auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von zuletzt 2.931,80 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Dezember 2009 bis Dezember 2010, die der Kläger auf der Grundlage von Meldungen der Bruttolöhne im Prozess durch den Beklagten berechnete.

Der Beklagte unterhält als Einzelunternehmer einen Gewerbebetrieb mit Sitz in A. Er hat sich auf Renovierungen und Kleinreparaturen in zur Vermietung anstehenden Altbauwohnungen spezialisiert. Im Gewerberegister (Bl. 16 der Akte) ist er mit den folgenden Tätigkeiten angemeldet: "Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Estrichleger, Parkettleger, Holz- und Bautenschutz, Kabelverleger im Hochbau, Einbau von genormten Baufertigteilen."

In einer Betriebsanmeldung beim Kläger nannte er die folgenden Arbeiten: Fliesen-, Platten-, Mosaik-, Ansetz- und Verlegearbeiten; Holz- und Bautenschutz; Montage von Baufertigteilen (z.B. Fenster, Türen, Wintergärten, Doppelboden-Montagen); Raumausstattung: Ausschließlich Laminat-/Teppichverlegung, Dekorationen; Trockenbauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. Verkleidungen, Akustikbau) inklusive Anbringen der Unterkonstruktionen und Putzträger; Bodenbelagsarbeiten, ausschließlich Parkett, Laminat, PVC, Teppich (vgl. Bl. 18 der Akte).

Im Betrieb des Beklagten wurden im Zeitraum 2009 - 2010 Elektroinstallationsarbeiten, Fassadenanstrich- und sonstige Malerarbeiten, Wasserinstallationen, Demontage von Sanitäranlagen, Wänden und Fliesen etc. erbracht. Daneben mussten Tapeten abgerissen sowie Wohnungen entrümpelt werden. Hinsichtlich der genauen Einzelheiten der betrieblichen Tätigkeit herrscht zwischen den Parteien Streit.

Die beiden Arbeitnehmer B und C wurden ausweislich der im Prozess vorgelegten Arbeitsverträge als Bauhilfsarbeiter eingestellt. Der Mitarbeiter B war in der Zeit von Januar 2009 bis Dezember 2010 angestellt. Der Mitarbeiter C war ab Dezember 2010 angestellt. Bei der Knappschaft Bahn See, Minijob-Zentrale, war in dem Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2010 ferner Herr D angemeldet, dieser wurde als Fahrer beschäftigt. Frau E war als Angestellte ebenfalls in dem Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2010 geringfügig beschäftigt.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15,AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.

Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (kurz: SokaSiG) verabschiedet. Es sieht vor, dass der VTV in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine AVE "gelten" so...

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