Entscheidungsstichwort (Thema)

Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Rückwirkung. Abbruchgewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 24. Februar 2006 erfasst Betriebe des Abbruchgewerbes nicht rückwirkend ab dem 01.01.2006, sondern nach Veröffentlichung ab dem 01.05.2006.

 

Normenkette

VTV-Bau § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 15.04.2010; Aktenzeichen 4/5 Ca 1675/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen 10 AZR 744/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. April 2010 – 4/5 Ca 1675/09 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.119,24 EUR (in Worten: Dreiundzwanzigtausendeinhundertneunzehn und 24/100 Euro) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin 26 % und der Beklagte 74 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 23 % und der Beklagte 77 %.

Die Revision wird für die Klägerin, nicht jedoch für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Beiträge nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu zahlen.

Die Klägerin ist die A. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie hat den Beklagten zunächst auf Erteilung der tarifvertraglich vorgesehenen Auskünfte und nach erteilten Auskünften sodann auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 auf Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2007 entsprechend den Meldungen des Beklagten in Anspruch genommen.

Der Beklagte unterhielt bis zum 30. Juni 2007 als Einzelunternehmer einen gewerblichen Betrieb, in welchem arbeitszeitlich betrachtet überwiegend, wie im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden ist, Abbrucharbeiten ausgeführt wurden, ohne dass diese im Zusammenhang mit baulichen Leistungen standen. Er war im Wesentlichen als Subunternehmer für die Firma B. tätig, welche ihrerseits ausweislich des Schreibens dieser Firma vom 10. Mai 2010 (Bl. 67 d. A.) Mitglied des C. war. Mit Schreiben vom 03. März 2005 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie nach derzeitigem Kenntnisstand entsprechend den Angaben des Beklagten davon ausgehe, dass eine Teilnahme an den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft ausgeschlossen sei, und bat den Beklagten, sie zu informieren, sobald sich der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beklagten auf Arbeiten im Sinne des tariflichen Geltungsbereichs der Bautarifverträge verlagere (Bl. 23 d. A.).

Mit am 23. Oktober 2009 bei Gericht eingegangener Klageänderung ist die Klägerin von der Auskunfts- zur Zahlungsklage übergegangen.

Beim Arbeitsgericht Wiesbaden ist unter dem Aktenzeichen 5/11 Ca 351/09 ein Verfahren anhängig, in welchem die Klägerin eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum Februar 2006 bis Oktober 2007 geltend macht, welche erforderlich geworden ist, nachdem der Beklagte Nachmeldungen vorgenommen hatte.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte müsse am Sozialkassenverfahren teilnehmen. Sie hat ursprünglich behauptet, der Beklagte habe einen Hochbau- und Maurerbetrieb unterhalten.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 30.090,66 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, im Klagezeitraum als Abbruchbetrieb nicht beitragspflichtig gewesen zu sein, was ihm die Klägerin mit Schreiben vom 03. März 2005 bestätigt habe. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, den Beklagten über ein anderes Prüfungsergebnis zu unterrichten.

Mit Urteil vom 15. April 2010 – 4/5 Ca 1675/09 – hat das Arbeitsgericht Wiesbaden den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hat u. a. ausgeführt, die Klägerin habe schlüssig dargelegt, dass der Betrieb des Beklagten vom Geltungsbereich des VTV erfasst werde, indem sie behauptet habe, dass er einen Hochbau- und Maurerbetrieb unterhalten habe. Demgegenüber sei der Vortrag des Beklagten unerheblich, da gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 29 VTV Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten verrichtende Betriebe vom Geltungsbereich des VTV erfasst würden. Der Betrieb des Beklagten sei auch ab dem 01. Januar 2006 von der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV erfasst worden. Zwar seien Abbruchbetriebe gemäß der AVE-Einschränkung bis zum 31. Dezember 2004 vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen worden, wenn sie Abbrucharbeiten ohne Zusammenhang mit eigenen baulichen Leistungen ausführten. Die neue Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV sei im Laufe des Kalenderjahres 2006 mit Rückwirkung zum 01. Januar 2006 in Kraft getreten. Da bereits Anfang 2006 eine Bekanntmachung über die beabsichtigten Änderung...

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