Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit der Anrechnung einer Zulage bei einem einzelnen Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Anrechnung einer Tarifgehaltserhöhung auf übertarifliche Zulagen hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn eine generelle Maßnahme vorliegt, sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern und für die Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum besteht.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 07.03.2012; Aktenzeichen 8 Ca 320/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.09.2014; Aktenzeichen 5 AZR 109/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 07. März 2012 - 8 Ca 320/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 3.216,- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 224,- EUR seit dem 01. April 2011 und aus jeweils 272,- EUR seit dem 01. Mai 2011, dem 01. Juni 2011, dem 01. Juli 2011, dem 01. August 2011, dem 01. September 2011, dem 01. Oktober 2011, dem 01. November 2011, dem 01. Dezember 2011, dem 01. Januar 2012, dem 01. Februar 2012 und dem 01. März 2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/15 und die Beklagte 14/15 zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Zulage.

Der am 07. November 1978 geborene Kläger ist seit März 1999 bei der Beklagten als Industriekaufmann beschäftigt. Aufgrund beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft fanden auf das Arbeitsverhältnis zunächst die zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e.V. und der Industriegewerkschaft Metall geschlossenen Tarifverträge Anwendung. Im Juni 2003 schied die Beklagte aus dem Arbeitgeberverband aus.

§ 3 des im Zeitpunkt des Austritts gültigen Tarifvertrags über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen vom 28. Mai 2002 sieht ein Eckgehalt für kaufmännische und technische Angestellte der Gehaltsgruppen K2 und T2 nach vollendetem 23. Lebensjahr in Höhe von 1.512,- EUR ab dem 01. Juni 2002 und in Höhe von 1.551,- EUR ab dem 01. Juni 2003 vor. Daneben ist für kaufmännische Angestellte in der Gehaltsgruppe K3 nach vollendetem 23. Lebensjahr ein Gehaltsschlüssel von 110 Prozent des Eckgehalts vorgesehen, während nach vollendetem 28. Lebensjahr der Gehaltsschlüssel 140 Prozent des Eckgehalts beträgt.

Die Beklagte zahlte dem damals 24jährigen Kläger ab ihrem Verbandsaustritt im Juni 2003 eine Vergütung in Höhe von 1.663,- EUR. Dies entspricht 110 Prozent des bis zum 31. Mai 2003 für die Gehaltsgruppe des Klägers (K3) maßgeblichen Eckgehalts. Ab einem nicht näher bezeichneten späteren Zeitpunkt zahlte die Beklagte zusätzlich zu dem tariflichen Entgeltanspruch eine Zulage, die sie in unregelmäßigen Abständen erhöhte. Die Erhöhung der Zulage wurde den Mitarbeitern jeweils schriftlich mitgeteilt. Zuletzt erhielt der Kläger unter dem Datum des 15. April 2011 ein mit "Entgelterhöhung 2011" bezeichnetes Schreiben mit auszugsweise folgendem Inhalt (Blatt 15 der Akte):

... wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass sich wie bereits angekündigt, Ihr monatliches Entgelt ab 01.04.2011 um 2,5% erhöht.

Ihr monatliches Entgelt setzt sich ab 01.04.2011 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden wie folgt zusammen:

Entgelt (Gehaltsgruppe K3 gem. § 3 GRTV)

1663,- EUR

freiwillige (übertarifliche) Zulage

272,- EUR

Bruttoentgelt

1935,- EUR

Die Erhöhung ist anrechenbar auf mögliche Tarifansprüche jeglicher Art, insbesondere auf eine eventuelle tarifliche Leistungszulage.

Bei der übertariflichen Zulage handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht.

Vergleichbare Schreiben hat der Kläger für die Zeiträume ab dem 01. Januar 2007 (Entgelterhöhung um 2% und Mitteilung einer sich hieraus errechnenden Zulagenhöhe von 77,12 EUR) und ab dem 01. April 2008 (Entgelterhöhung um 2% und Mitteilung einer sich hieraus errechnenden Zulagenhöhe von 77,12 EUR). Hinsichtlich dieser beiden Schreiben wird auf Blatt 40 und 42 der Akte verwiesen. Diese prozentualen Vergütungssteigerungen wurden für alle Mitarbeiter vorgenommen.

Daneben erhielt der Kläger eine Entgelterhöhung zum 01. Mai 2007. Zu diesem Zeitpunkt erhöhte sich die Zulage von 77,12 EUR auf 187,- EUR. Das Gesamtbruttoentgelt erhöhte sich von 1.740,12 EUR auf 1.850,- EUR. In dem Mitteilungsschreiben vom 24. April 2007 (Blatt 41 der Akte) finden sich nur Angaben zur Entgelt- und zur Zulagenhöhe, sowie zur Höhe des ab dem 01. Mai 2007 geschuldeten Bruttoentgelts. Ein Hinwies auf einen prozentualen Steigerungssatz fehlt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aufgrund des nachwirkenden Tarifvertrags s...

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