Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme eines Betriebes der Wasser- und Brandschadensanierung am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Besteht bei einem Betrieb der Wasser- und Brandschadenssanierung die eigentliche Tätigkeit in baulichen Arbeiten wie Bautrocknung, Mauern, Maler- und Putzarbeiten, so sind die ebenfalls anfallenden Arbeiten wie Möbelverrücken, Schuttentsorgung oder Reinigen grundsätzlich als bauliche Zusammenhangsarbeiten zu bewerten (vgl. zuvor bereits Hess. LAG 15. Juli 2016 - 10 Sa 221/16 - n.v.; Hess. LAG 5. Februar 2016 - 10 Sa 1196/14 - n.v.).

2. Zur Frage der Zulässigkeit von Berufung und Beitragsklage, wenn sich der Kläger in der Berufungsinstanz erstmalig auf das SokaSiG stützt.

 

Normenkette

SokaSiG § 7; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, §§ 533, 263; VTV-Bau § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 16.02.2017; Aktenzeichen 9 Ca 531/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Februar 2017 - 9 Ca 531/11 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.261,00 EUR (in Worten: Neunzehntausendzweihunderteinundsechzig und 0/100 Euro) zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren der deutschen Bauwirtschaft.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Anspruch.

Zuletzt hat der Kläger nach Verbindung von fünf Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung für den Zeitraum Oktober 2008 bis April 2011 für mindestens einen gewerblichen Arbeitnehmer pro Monat insgesamt 18.086 Euro und für den Zeitraum Juni 2008 bis Dezember 2009 1.175 Euro Festbeiträge für einen Angestellten geltend gemacht, zusammen 19.261 Euro.

Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 25. Juni 2008 gegründet. Ausweislich der Eintragung im Handelsregister (vgl. Bl. 47 der Akte) wird der Betriebsgegenstand wie folgt beschrieben:

"Behebung von Brand- und Wasserschäden einschließlich der Durchführung der damit im Zusammenhang stehenden Sanierungsarbeiten und außerdem Handel mit diesbezüglichen technischen Komponenten und Materialien".

Im Gewerberegister der Stadt A ist folgende gewerbliche Tätigkeit hinterlegt:

"Komplettlösung nach Brand- und Wasserschaden, Gebäudesanierung, Trocknungstechnik, Inventarsanierung, Wiederherstellung".

In einem so genannten Stammblatt zur Erfassung baugewerblicher Betriebe gab die Beklagte im August 2009 in Bezug auf die von ihr ausgeübte Betriebstätigkeit die folgenden Arbeiten an:

  • -

    Büroarbeiten, Bauleitung zu 30 %

  • -

    Trocknungstechnik zu 25 %

  • -

    Maler, Brandsanierung zu 20 %

  • -

    Fliesenarbeiten, Maurerarbeiten zu 10 %

  • -

    Dachdecker, Zimmerer zu 10 %

  • -

    Stuckateure zu 5 %.

Bezüglich der Einzelheiten des Stammblatts wird verwiesen auf Bl. 38 der Akte.Die Beklagte hat Brand- und Wasserschäden im Auftrag von Versicherungsunternehmen behoben. Zu den Versicherungsunternehmen bestanden Rahmenverträge, abgerechnet wurde u.a. nach Quadratmetern. Bei der Schadensbehebung fielen einerseits bauliche Leistungen an, wie Abbrucharbeiten, Pflaster-, Putz- und Malerarbeiten, andererseits fielen hierbei Nebenarbeiten an wie Reinigen von Oberflächen, Möbelberäumung und Entsorgungsarbeiten. Zu einem geringen Teil setzte die Beklagte Mitarbeiter bei Garten- und Landschaftsarbeiten ein. Sie beschäftigte in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine Vielzahl von Mitarbeitern, nämlich mehr als 400. Davon war ein Großteil lediglich als Aushilfe und nur tageweise für die Beklagte tätig. Über die weiteren Einzelheiten der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten herrscht zwischen den Parteien Streit.Der Kläger hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten im streitgegenständlichen Zeitraum zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit die folgenden Arbeiten erbracht:

  • -

    Bautrocknungsarbeiten unter Verwendung von Kunststoffen oder chemischen Mitteln sowie den Einbau von Kondensatoren in und an Bauwerken sowie die dazugehörigen Neben- und Zusammenhangstätigkeiten, wie Verputzen, Freilegen des Mauerwerks und Wiederherstellung des Mauerwerks;

  • -

    Fliesen-, Platten- und Mosaikansetz- und Verlegearbeiten einschließlich der dazugehörigen Fugarbeiten;

  • -

    Maurerarbeiten;

  • -

    Stuck-, Putz- und Gipsarbeiten;

  • -

    Zimmererarbeiten;

  • -

    Malerarbeiten, jedoch zu weniger als 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit.

Zur Stützung seines Vortrages beruft sich der Kläger auf die Angaben der Beklagten im sog. Stammblatt sowie auf die Angaben im Handelsregister und im Gewerberegister. Eine überwiegend bauliche Tätigkeit ergebe sich auch aus dem Internetauftritt der Beklagten unter www.xxxx. Daraus sei auch ersichtlich, dass die Beseitigung der Wasser...

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