Leitsatz (amtlich)

Auslegung der Einschränkungsklausel der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu den Abbruchbetrieben:

Mehr als ein Viertel der Gesamttätigkeit muß sowohl baulich sein als auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Abbruchtätigkeiten stehen.

 

Normenkette

BRTV-Bau/Abbruch AVE § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 15.09.1988; Aktenzeichen 4 Ca 754/88)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.01.1990; Aktenzeichen 4 AZR 493/89)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15.09.1988 – 4 Ca 754/88 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um das Unterfallen des Betriebs der Beklagten unter den Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes.

Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, ist die tarifvertraglich bestimmte Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte unterhält einen Betrieb, dessen Tätigkeitsbereich arbeitszeitlich überwiegend, also zu mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit, in der Durchführung von Abbrucharbeiten an Gebäuden besteht. Ob und in welchen zeitlichen Umfang die Beklagte daneben auch im Anschluß an Abbrucharbeiten Aushubarbeiten verrichtet und Aushub abfahrt, ist streitig.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die tarifvertraglich vorgesehenen Auskünfte Ober die Zahl der beschäftigten Arbeiter, deren Bruttolohnsumme und die dementsprechende Höhe der abzuführenden Beiträge und für den Fall der Nichterteilung auf Zahlung einer Entschädigung. Der Anspruchszeitraum reicht von Juni 1984 bis März 1988.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb im tariflichen Sinne und sei deshalb aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung der Bautarifverträge tarifgebunden, weil zu 25 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Aushubarbeiten einschließlich des Abfahrens der Aushubmasse durchgeführt worden seien, wobei diese Tätigkeiten jeweils im Anschluß an Abbrucharbeiten an den betreffenden Objekten durchgeführt worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

    1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juni 1984 bis März 1988 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind;

  2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

    zu Nr. 1.1

    87.000,– DM.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsgericht Wiesbaden sei örtlich unzuständig, sie sei nicht tarifgebunden. Sie hat behauptet, im Jahre 1984 seien keine, im Jahre 1985 an 11, im Jahre 1986 an 16, im Jahre 1987 an 15 und von Januar bis März 1988 an 5 Tagen Aushubarbeiten durchgeführt worden, ohne daß diese in unmittelbarem Zusammenhang mit den Abbrucharbeiten gestanden hätten.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem an 15.9.1988 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Es hat die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden angenommen, da § 32 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV 1987) vom 12.11.1986 den Gerichtsstand Wiesbaden für Ansprüche des Klägers gegen baugewerbliche Arbeitgeber festlege. Beim Zusammenfallen von zuständigkeits- und klagebegründeten Merkmalen sei durch Sach- und nicht durch Prozeßurteil zu entscheiden. Materiell hat es die Klage für unbegründet gehalten, da angesichts der unstreitig zeitlich überwiegend verrichteten Abbrucharbeiten zunächst zwar der Betrieb unter § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV Ziffer 27 falle, jedoch die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung eingreife, wonach Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführende Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von der Allgemeinverbindlicherklärung nur dann erfaßt werden, wenn ihre Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit anderen, in den Betrieben oder in den selbständigen Betriebsabteilungen in erheblichem Umfang anfallenden baulichen Leistungen stehen. Es müsse ein funktioneller innerer Zusammenhang mit sonstigen in erheblichem Umfang vom Betrieb ausgeführten baulichen Leistungen gegeben sein. Der Vortrag des Kläger sei in diesem Sinne unschlüssig, da er nur behauptet habe, daß die Beklagte zu 25 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Aushubarbeiten im Anschluß an Abbrucharbeiten vorgenommen habe. Da dies nicht mehr als ein Viertel der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer darstelle, sei das Erfordernis der baulichen Leistungen „in erheblichem Umfang” nicht dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und zur Ergänzung des Sachverhalts wi...

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