Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG

 

Leitsatz (amtlich)

Das SokaSiG ist trotz der darin enthaltenen echten Rückwirkung nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

SokaSiG § 7 Abs. 1; VTV-Bau §§ 15, 18; ZPO § 263

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 29.03.2018; Aktenzeichen 10 Ca 24/18 SK)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.08.2019; Aktenzeichen 10 AZR 557/18)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. März 2018 - 10 Ca 24/18 SK - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren in der deutschen Bauwirtschaft.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, hat er den Beklagten auf Zahlung von 2.169,05 Euro in Anspruch genommen. Dabei handelt es sich um selbst gemeldete Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Juni 2017 bis August 2017 in Höhe von 1.930,55 Euro sowie für Angestellte in dem gleichen Zeitraum in Höhe von 238,50 Euro.

Der Beklagte unterhielt im streitgegenständlichen Zeitraum einen Baubetrieb, in dem Vollwärmeschutz-, Maurer-, Renovierungs- und Ausbauarbeiten erbracht worden sind.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15, AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.

Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (kurz: SokaSiG) verabschiedet. Es sieht vor, dass der VTV in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine AVE "gelten" soll. Das Gesetz ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten.

Mit Beschluss vom 21. März 2018 hat das Bundesarbeitsgericht in einem Beschlussverfahren mit Wirkung "inter omnes" nach § 98 Abs. 4 ArbGG entschieden, dass die AVE vom 6. Juli 2015 wirksam ist (vgl. BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Juris).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte zur Beitragszahlung verpflichtet sei. Wegen der Einzelheiten der Zusammensetzung der Klageforderung wird Bezug genommen auf Bl. 44 der Akte.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. März 2018 hat der Kläger die Klageforderung in Bezug auf die Angestelltenbeiträge teilweise zurückgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.930,55 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet sei.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 29. März 2018 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der betriebliche Geltungsbereich des VTV. An den VTV sei der Beklagte nach § 7 SokaSiG gebunden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl 9 - 12 der Akte.

Dieses Urteil ist dem Beklagten am 7. Juni 2018 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 11. Juni 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ist am 3. August 2018 bei dem Berufungsgericht eingegangen.

In der Berufungsinstanz trägt der Beklagte vor, dass das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass das SokaSiG wirksam sei. Die echte Rückwirkung sei unwirksam. Eine AVE könne nicht durch ein Parlamentsgesetz ersetzt werden. Das Prinzip der Gewaltenteilung sei verletzt. Die staatliche Festlegung von materiellen Arbeitsbedingungen durch Gesetz entziehe den Koalitionspartnern die Regelungsmacht und greife damit in Art. 9 Abs. 3 GG ein.

Der Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. März 2018 - 10 Ca 24/18 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, das Arbeitsgericht sei zu Recht von der Wirksamkeit des SokaSiG ausgegangen. Hilfsweise stütze er sich auf die AVE 2016. Er mache sich die Begründung aus dem Urteil in der Sache 10 Sa 907/16 zu Eigen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselt...

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