Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche eines schwerbehinderten Bewerbers um eine Stelle wegen Benachteiligung durch Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch

 

Leitsatz (redaktionell)

Der öffentliche Arbeitgeber kann einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 82 SGB IX auch dann noch rückgängig machen, wenn er, durch den abgelehnten Bewerber auf die Verletzung des § 82 SGB IX hingewiesen, ihn in einem noch laufenden Bewerbungsverfahren die Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch gibt und damit den Anforderungen des § 82 SGB IX in der weitestgehenden Form des Schadensersatzrechts, der Naturalrestitution genügt. Dabei ist von einer Einladung lediglich pro forma nicht auszugehen, wenn die Stelle letztlich an einen Bewerber vergeben wird, der ebenfalls schwerbehindert ist und zunächst ohne Vorstellungsgespräch eine Absage erhalten hatte.

 

Orientierungssatz

Einzelfall einer erfolglosen Klage auf Entschädigung eines Bewerbers, der zunächst nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, dann aber zweimal Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch nicht wahrgenommen hat.

 

Normenkette

AGG §§ 15, 22; SGB IX § 81; AGG § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 02.03.2011; Aktenzeichen 7 Ca 1746/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 2. März 2011 - 7 Ca 1746/10 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land dem Kläger eine Entschädigung zu zahlen hat, weil es ihn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen seiner Behinderung benachteiligt hat.

Das A des beklagten Landes schrieb im Hauptsachgebiet V 1 - SAP-Team zwei Stellen der EG 6 aus. Wegen der Einzelheiten der Stellenausschreibung wird auf Bl. 22 d.A. Bezug genommen. Das Monatsgehalt für diese Stellen beträgt € 1.938,79 brutto. Der im B 19XX geborene Kläger, der einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt bekommen hat, bewarb sich mit Schreiben vom 27. Mai 2010 auf diese Stelle. Der Bewerbung fügte er seinen Lebenslauf, sowie Zeugnisse und die Kopie seines Schwerbehindertenausweises bei. Er erhielt unter dem 31. Mai 2010 ein schriftliche Bestätigung des Eingangs seiner Bewerbung (Bl. 23 d.A.). Das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung lud zunächst einige Bewerber mit Schreiben vom 5. Juli 2010 zu Vorstellungsgesprächen am 12. Juli 2010 ein und plante am 19. Juli 2010 weitere Vorstellungsgespräche, vornehmlich mit schwerbehinderten Bewerbern zu führen. Aufgrund einer einvernehmlichen Entscheidung der Personalabteilung mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Personalrat und der Frauenbeauftragten sollten dann jedoch doch nicht alle behinderten Bewerber an einem Tag zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, weshalb Einladungsschreiben nur an einige behinderte Bewerber übersandt wurden und die an andere behinderte Bewerber, u.a. auch an den Kläger gerichteten Schreiben zu Vorstellungsgesprächen aus dem Postlauf genommen wurde. Sodann erhielt der Kläger - wie auch die anderen nicht eingeladenen behinderte Bewerber - unter dem 29. Juli 2010 ein mit i.A. von der damaligen Auszubildenden C unterzeichnetes Schreiben, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass seine Bewerbung abschlägig beschieden worden sei (Bl. 13 d.A.). Eine entsprechende Weisung hatte Frau C hierfür von keiner der zuständigen Personen der Personalabteilung erhalten. Mit Schreiben vom 6. August 2010, welches am 12. August 2010 bei dem beklagten Land eingegangen ist, machte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtige eine Entschädigung in Höhe von € 5.816,37 geltend, weil das beklagte Land ihn, trotz ausreichender Befähigung für die ausgeschriebene Stelle, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte (Bl. 24 f. d.A.). Das Stellenbesetzungsverfahren war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 18. August 2010 zu einem Vorstellungsgespräch am 25. August 2010 um 10.30 Uhr in die Dienststelle nach D eingeladen (Bl. 26 d.A.). Seine Prozessbevollmächtigte informierte das beklagte Land mit Schreiben vom 23. August 2010, wegen dessen genauen Inhalt auf Bl. 28 d.A. Bezug genommen wird. Daraufhin wandte sich das beklagte Land nochmals mit Schreiben vom 2. September 2010 an die Prozessbevollmächtigte des Klägers und lud diesen nochmals zu einem Vorstellungsgespräch, nunmehr am 8. September 2010 für 9.00 Uhr nach D ein. Dieses Schreiben ging dem Kläger selbst erst am 6. September 2010 zu. Der Kläger, der Dialysepatient ist, hatte am 25. August 2010 in der Zeit von 2.05 bis 4.35 Uhr und am 8. September 2010 in der Zeit ab 21.30 Uhr eine Dialysebehandlung, die er in E in einer Klinik durchführen ließ (Bl. 159 f. d.A.). Das beklagte Land erstellte am 16. September 2010 für die streitgegenständliche Stellenbesetzung einen Auswahlvermerk ...

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