Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der erstmaligen Berufung auf das SokaSiG in der Berufungsinstanz. Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG. Teilnahme eines säurefesten Fliesen verlegenden und versiegelnden Betriebes am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Berufung auf das SokaSiG hat der Kläger keinen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt.

2. Zur Frage der Verfassungskonformität des SokaSiG.

3. Das Verlegen säurefester Fliesen und das anschließende säurefeste Versiegeln der gefliesten Flächen sind bauliche Tätigkeiten iSd. VTV.

 

Normenkette

ZPO §§ 260, 263; SokaSiG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 05.12.2013; Aktenzeichen 4 Ca 508/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 5. Dezember 2013 - 4 Ca 508/13 - wird, soweit das Hessische Landesarbeitsgericht nicht bereits mit Urteil vom 23. November 2015 - 18 Sa 1474/14 - und mit Urteil vom 23. November 2015 - 18 Sa 918/15 - darüber entschieden hat, auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob die Beklagte für den Zeitraum von Oktober 2011 bis Dezember 2011 zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes verpflichtet ist.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, hat der Kläger die Beklagte ursprünglich auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von insgesamt Euro 12.046,00 für den Zeitraum Oktober 2011 bis Mai 2013 in Anspruch genommen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten letztlich hier noch nicht beschiedene Beiträge in Höhe von Euro 1.693,00 wegen der Beschäftigung von mindestens einem gewerblichen Arbeitnehmer im Geltungsbereich des VTV in der Zeit von Oktober 2011 bis Dezember 2011. Die Beitragsforderungen beruhten auf sogenannten Mindestbeiträgen, lediglich für Oktober 2011 fordert der Kläger nur ein Restbetrag in Höhe von Euro 475,00.

Die Beklagte hat ihren Sitz in A. Sie ist weder Mitglied im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) noch im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (ADB).

Die Beklagte verlegt keramische säurefeste Böden. Ihre Kunden sind Unternehmen der Lebensmittelproduktion und -industrie, wie z.B. Molkereien und Brauereien. Die Beklagte stellt die säurefesten Fliesen nicht selbst her. Diese werden nach Vorbearbeitung und Abdichtung des Untergrunds in Säuremörtel mit Hohlfugen verlegt und abschließend säurefest versiegelt.

Die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Hessen, stellte durch Bescheid vom 5. Juni 2013 auf eine Betriebsprüfung durch die Agentur für Arbeit B fest, dass der Betrieb der Beklagten nicht am Verfahren zur Förderung der Winterbeschäftigung teilnehmen muss (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 29. August 2013, Bl. 40 d.A.).

Mit Beschlüssen vom 21. September 2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25. Januar 2017 (10 ABR 34/15 und 10 ABR 43/15) entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2014 rechtsunwirksam sind.

Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (kurz: SokaSiG) ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten.

Der Kläger hat ursprünglich seine Beitragsansprüche gegenüber der Beklagten in vier Mahnbescheidsverfahren verfolgt, welche jeweils nach Widerspruch in streitige Verfahren übergeleitet und dann zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung durch das Arbeitsgericht Wiesbaden verbunden wurden.

Dabei ist der Kläger für den in erster Instanz maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2011 bis Mai 2013 davon ausgegangen, dass die Beklagte durchgehend mindestens einen gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigte und hat für diesen monatlich den so genannten Mindestbeitrag gefordert, insgesamt Euro 12.046,00.

Der Kläger hat behauptet, der oder die für die Beklagte tätige/n Arbeitnehmer hätte/n arbeitszeitlich überwiegend folgende Tätigkeiten ausgeführt:

  • -

    keramische säurefeste Böden und Oberbeläge verlegt und beschichtet, u.a. in Säurekittbettung;

  • -

    sonstige Fliesen-, Platten-, Mosaik-, Ansatz- und Verlegearbeiten;

  • -

    erforderliche Vor- und Nacharbeiten.

Der Kläger hat behauptet, die Arbeiten würden in handwerklicher Art und Weise ausgeführt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 12.046,00 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie verlege keramische säurefeste Böden. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr Betrieb sei nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 10 VTV als ein Betrieb der Säurebauindustrie vom Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen. Dazu hat sie behauptet, sie bringe große Flächen säurefester Böden in ...

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