Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestreikung von Fluglotsenarbeitsplätzen. Absichtliche Schädigung einer Fluggesellschaft. Friedenspflicht aus Tarifverträgen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Benutzbarkeit des Vorfeldes, der Start- und Landebahnen gehört wie auch die Nutzung des Luftraumes nicht zum Gewerbebetrieb einer Fluggesellschaft.

2. Die Bestreikung der Fluglotsenarbeitsplätze betrifft "typischerweise" die gesamte oder wesentliche Teile der gesamten Tätigkeit des Luftverkehrsunternehmens. Aus dieser Tatsache kann keine subjektive und objektive Stoßrichtung oder absichtliche Schädigung der Fluggesellschaft abgeleitet werden.

3. Die Friedenspflicht aus Tarifverträgen wird allein schuldrechtlich zwischen den tarifvertragsschließenden Parteien vermittelt. Sie haben Fürsorgepflichten allein gegenüber ihren Mitgliedern, nicht aber gegenüber außenstehenden Dritten.

4. Für die Frage, ob ein rechtmäßiges Alternativverhalten vorliegt, kommt es auf die Sicherheit an, dass der Arbeitskampf auch ohne die beanstandeten Tarifforderungen zur gleichen Zeit, am gleichen Ort mit den gleichen Folgen geführt worden wäre.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, §§ 826, 280 Abs. 1, § 328; GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 31

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.03.2013; Aktenzeichen 9 Ca 5558/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.07.2016; Aktenzeichen 1 AZR 160/14)

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2013 - 9 Ca 5558/12 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungen tragen die Klägerin zu 1) zu 42 %, die Klägerin zu 2) zu 1,5 % und die Klägerin zu 3) zu 56,5 %.

Die Revision wird für die Klägerinnen zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund von der beklagten Gewerkschaft im Februar 2012 teils durchgeführter und teils nur angekündigter Arbeitskampfmaßnahmen.

Die Klägerinnen zu 1) und 2) sind Fluggesellschaften. Die Klägerin zu 3), deren Anteile zu mehr als 50 % von öffentlichen Eignern gehalten werden, betreibt den Flughafen A. Sie beschäftigt dort ca. 12.000 Mitarbeiter, davon rund 200 Mitarbeiter im Bereich der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale. Die insgesamt 86 Vorfeldkontrolleure nehmen die Steuerung und Überwachung des sog. "rollenden" Verkehrs von Luftfahrzeugen auf dem Vorfeld wahr. Die insgesamt 90 Mitarbeiter der Vorfeldaufsicht leiten die Luftfahrzeuge am Boden zu den Parkstationen. Die 29 Mitarbeiter in der Verkehrszentrale bearbeiten u. a. die operativen Flugplandaten. Zudem gehört zu deren Aufgaben die Rotationsbearbeitung bei Flügen des planmäßigen Verkehrs, die Benachrichtigung und Information der Kunden bei Beschränkungen im Luftbetrieb sowie die operative Disposition der Parkposition von Luftfahrzeugen und das Einleiten von Schleppvorgängen. Die ursprüngliche Klägerin zu 4) nimmt bundesweit die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum und an den deutschen internationalen Flughäfen wahr, so auch in A.

Der Beklagte ist eine Gewerkschaft, deren Organisationsbereich sich im Wesentlichen auf die Flugsicherung bezieht. Auf seine Satzung (Anlage K 1 im Anlagenordner zur Klageschrift) wird Bezug genommen.

Unter dem Datum des 20. September 2007 schlossen die Klägerin zu 3), der Kommunale Arbeitgeberverband Hessen e.V. (im Folgenden: KAV Hessen) und der Beklagte den Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007. Dieser Tarifvertrag enthält u. a. die folgenden Regelungen:

"§ 1

Geltungsbereich, Zuständigkeit

(1) Die vorliegende Vereinbarung gilt für alle operativen Beschäftigten der B AG, die im Bereich "Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale" (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden.

(2) Über den in Absatz 1 genannten Personenkreis hinaus beansprucht die C keine Zuständigkeit für andere Beschäftigte der B AG und strebt eine solche auch im Falle einer Satzungsänderung nicht an.

(3) [...]

§ 7

Belastungsausgleich

(1) Die Beschäftigten nehmen ab 01. Januar 2008 einmal jährlich auf Kosten des Arbeitgebers an einem Gesundheits-Check bei der arbeitsmedizinischen Abteilung des Unternehmens teil.

(2) Beschäftigte, die in der Funktion "Apron Control" eingesetzt werden, haben ab 01. Januar 2008 in einem fünfjährigen Turnus Anspruch auf eine Regenerationskur von 30 Kalendertagen. Für Beschäftigte, die mindestens 15 Jahre in der Funktion "Apron Control" eingesetzt waren, verkürzt sich der Turnus nach Satz 1 auf vier Jahre.

(3) Erstmalig entsteht der Anspruch der Beschäftigten nach 10 Tätigkeitsjahren in der Funktion "Apron Control."

(4) Der Arbeitgeber legt mit einem Jahr Vorlauf fest, in welchem Zeitraum und an welchem Ort die Kur stattfinden soll. Nach Möglichkeit sind die Interessen und Belange der Beschäftigten hier zu berücksichtigen.

(5) Die Regenerationskuren dienen sowohl der Erholung als auch der Prävention gegen Herz-Kreislauferkrankungen und/oder psychische Erkrankungen. Die Kosten des Kuraufenthaltes trägt der Arbeitgeber. Die Kur gilt als Arbeitszeit unter Fortzahlung der Vergütung.

(6) [...]

Protok...

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