Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV-Bau im Baugewerbe durch das BAG hinsichtlich rechtskräftig abgeschlossener Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung des BAG über die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV-Bau im Baugewerbe (BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15) stellt keinen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 oder 7b ZPO analog dar.

2. Das Subsidiaritätserfordernis des § 582 ZPO verlangt, dass die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung von der unterlegenen Partei schon im Vorprozess geltend gemacht worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 580 Nrn. 6, 7 Buchst. b), § 582; ArbGG § 98; BVerfG § 79 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 28.05.2014; Aktenzeichen 11 Ca 1736/13)

 

Tenor

Die Klage wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Restitutionsklage um die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreits vor dem Berufungsgericht.

Der Restitutionsbeklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat er in einem Vorprozess mit umgekehrtem Rubrum die damalige Beklagte und hiesige Restitutionsklägerin auf Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes in Höhe von 660.866 Euro in Anspruch genommen. Zugrunde lagen Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für den Zeitraum August 2009 bis September 2013.

Die Restitutionsklägerin ist weder Mitglied des Deutschen Baugewerbes e.V. noch des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V.

Das Berufungsgericht hat am 10. April 2015 in dem Rechtsstreit 10 Sa 1209/14 der Berufung der ULAK teilweise stattgegeben und die Restitutionsklägerin zur Zahlung von 481.344 Euro verurteilt. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde blieb vor dem Bundesarbeitsgericht - 10 AZN 670/15 - erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit zwei Beschlüssen vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - sowie - 10 ABR 48/15 - entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung (kurz: AVE) 2008 und 2010 sowie die AVE 2014 des VTV unwirksam sind. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE 2012 und 2013 unwirksam sind.

Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) verabschiedet. Das Gesetz ist derzeit mangels Bekanntmachung im Bundesanzeiger noch nicht in Kraft getreten. Es sieht vor, dass der VTV in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine AVE "gelten" soll.

Mit ihrer bei dem Landesarbeitsgericht am 20. Oktober 2016 eingegangenen Klage macht die Restitutionsklägerin die Aufhebung des rechtskräftigen Urteils vom 10. April 2015 - 10 Sa 1209/14 - geltend.

Die Restitutionsklägerin vertritt die Auffassung, dass ein Restitutionsgrund in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 580 Nr. 6 ZPO anzunehmen sei. Dieser Rechtsvorschrift sei der Grundgedanke zu entnehmen, dass ein gerichtliches Urteil aufzuheben sei, sofern die für das Urteil mitbestimmenden tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen rückwirkend entfielen. Aufgrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts stünde fest, dass die Restitutionsklägerin nicht nach § 5 Abs. 4 TVG an die Tarifverträge des Baugewerbes gebunden sei.

Ferner meint sie, dass das Landesarbeitsgericht nicht an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gebunden sei, sofern dieses bereits angenommen habe, dass ein Restitutionsgrund in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben sei. Sie verweist darauf, dass vielfach in der Literatur eine abweichende Auffassung, z.B. von Koch im Erfurter Kommentar, vertreten worden sei. Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Punkt seien nicht überzeugend. Auch folge der Restitutionsgrund aus § 580 Nr. 7b ZPO. Zumindest sei eine analoge Anwendung geboten. Das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts stünde in einem augenfälligen Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016.

An diesem Ergebnis ändere auch das noch nicht in Kraft getretene SokaSiG nichts. Dieses Gesetz verstoße gegen das verfassungsrechtlich begründete Rückwirkungsverbot, so dass das Gesetz nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen wäre.

Die Restitutionsklägerin stellt die Anträge,

  1. das rechtskräftige Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. April 2015 - 10 Sa 1209/14 - aufzuheben;
  2. die in diesem Verfahren erhobene Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. Mai 2014 - 11 Ca 1736/13 - abzuweisen.

Der Restitutionsbeklagte beantragt,

die Be...

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