Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit nach Wegfall der Konzernvertretung. Zur Wirksamkeit von Auswahlrichtlinien von Gruppenvertretungen. Ersetzung der Zustimmung zu Einstellungen

 

Leitsatz (amtlich)

Nach dem Wegfall der Konzernvertretung ist für die Mitbestimmung über Auswahlrichtlinien bei Einstellungen nach § 84 Abs. 1 des Tarifvertrages Personalvertretung für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa AG die Gesamtvertretung zuständig. Von den Gruppenvertretungen abgeschlossene Auswahlrichtlinien sind rechtsunwirksam.

 

Normenkette

TV PV DLH §§ 84, 88-89; BetrVG § 117 Abs. 2, § 99; VTV Cockpit; AÜG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.10.2011; Aktenzeichen 17 BV 164/11)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 23.02.2016; Aktenzeichen 1 ABR 82/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. Oktober 2011 - 17 BV 164/11 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen zum Teil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Zustimmung der Beteiligten zu 2) zur Einstellung der Copiloten A und B wird ersetzt.

Es wird festgestellt, dass die vorläufige Durchführung dieser Einstellung zum 01. März 2011 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Im Übrigen werden die wechselseitigen Anträge zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über zwei personelle Einzelmaßnahmen.

Die zu 1) beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Luftfahrtunternehmen. Sie ist die Obergesellschaft eines aus mehreren Unternehmen bestehenden Konzerns, zu dem unter anderem auch die C GmbH (C) gehörte. Diese ist inzwischen aus dem Konzern der Arbeitgeberin ausgeschieden. Die zu 2) beteiligte Gruppenvertretung repräsentiert die von der Arbeitgeberin beschäftigten Copiloten auf der Grundlage des gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen "Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal" vom 15. November 1972 (TV PV). Der TV PV enthält unter anderem folgende Regelungen:

"II. Personalvertretung

1. Gruppenvertretung

A. Wahlvorschriften

§ 5 Errichtung

(1) Folgende Mitarbeitergruppen wählen jeweils eine Gruppenvertretung:

a) Kapitäne

b) Copiloten

c) Fluglehrer

d) Flugingenieure

f) Purseretten/Purser

g) Stewardessen/Stewards.

...

II. Gesamtvertretung

§ 30 Zusammensetzung

(1) Aus den Gruppenvertretungen wird eine Gesamtvertretung gebildet.

...

§ 35 Zuständigkeit

(1) Die Gesamtvertretung ist zuständig für Angelegenheiten, die alle oder mehrere Gruppenvertretungen betreffen.

...

III. Konzernvertretung

§ 42 Zusammensetzung

(1) Aus den Gesamtvertretungen der D und C wird eine Konzernvertretung errichtet.

...

§ 84 Auswahlrichtlinien

(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen und betriebsbedingten Kündigungen bedürfen der Zustimmung der Konzernvertretung.

...

(2) Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle durch verbindlichen Spruch, der die Einigung zwischen Arbeitgeber und Konzernvertretung ersetzt.

(3) Die Gesamtvertretung kann vom Arbeitgeber die Aufstellung von Auswahlrichtlinien für Versetzungen und Umgruppierungen verlangen, wenn über die Fälle des Vollzugs der in anderen Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen enthaltenen Versetzungs- und Umgruppierungstatbestände hinaus ein praktisches Bedürfnis zu Richtlinien-Bindung erkennbar wird.

...

§ 88 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen

(1) Vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung hat der Arbeitgeber die Gruppenvertretung zu unterrichten und deren Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einzuholen.

...

(3)

...

(b) Als Versetzung im Sinne dieses Tarifvertrages gilt auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

(4) Unbeschadet der Verpflichtung zur Unterrichtung nach Abs. 1 bedarf eine Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung der Zustimmung der Gruppenvertretung dann nicht, wenn die personelle Maßnahme sich als unmittelbare Folge einer Förderung des Angehörigen des Bordpersonals aufgrund der tarifvertraglichen Vorschriften über den Förderungsaufstieg oder anderer kollektivrechtlicher Bestimmungen ergibt.

(5) Die Gruppenvertretung kann die Zustimmung verweigern, wenn

1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,

2. die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 84 verstoßen würde,

...

4. der betroffene Angehörige des Bordpersonals durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist,

...

(6) Verweigert die Gruppenvertretung ihre Zustimmung, so hat sie dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Un...

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