Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 29.06.1999; Aktenzeichen 5 Ca 2234/99)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29.6.1999 – Az. 15 Ca 2234/99 – aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit gegeben ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Die weitere sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen (§ 78 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs. 4 GVG).

 

Tatbestand

I. Mit der seit Gewährung von Prozesskostenhilfe (s. Blatt 46 d.A.) zwischen den Parteien anhängigen Klage (s. Bl. 3 d.A.) fordert die Klägerin von der Beklagten einen Rest der vertraglich vereinbarten Gegenleistung der Beklagten für erbrachte Dienste der Klägerin. Zwischen den Parteien ist es am 17.7.1997 zu folgender Vereinbarung gekommen:

„Einladung und vertragliche Vereinbarung … wird vom 20.8.1997 für die Dauer eines Jahres bei Familie … als Aupair leben und arbeiten.

Die Basisarbeitszeit beträgt 30 Wochenstunden sowie 2–3 Abende babysitten. Pro Woche steht dem Au-pair ein freier Tag zur Verfügung, der nicht immer ein Sonntag sein muss. Das Au-pair hat einen Urlaubsanspruch von zwei Wochen. Dieser kann erstmals an Weihnachten in Anspruch genommen werden. Der Haushalt besteht aus vier Familienmitgliedern, davon zwei Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren.

Zum Austausch erhält Frl. … Kost und Logis (eigenes Zimmer) frei. Sie erhält zusätzlich ein Taschengeld von DM 400,– monatlich. Die Reisekosten sowie Kosten für Sprachkurs, Kranken- und Unfallversicherung werden ebenfalls von der Gastfamilie übernommen.

Der gemeinsame Wohnsitz ist ein Einfamilienhaus in …

Im vorliegenden Zwischenverfahren streiten die Parteien darüber, ob für die Klage der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit beschritten werden kann. Diese Vorfrage hat das Arbeitsgericht durch seinen Beschluss vom 29.6.1999 (s. Blatt 74 – 78 d.A.), der der Klägerin mit Rechtsmittelbelehrung am 23.7.1999 zugestellt worden ist, verneint.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 30.7.1999 eingelegten und begründeten sofortigen Beschwerde. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerdebegründung und der Erwiderung der Beklagten wird ergänzend auf Blatt 81, 82, 85 bis 95 d.A. verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäss § 17 a Abs. 4 GVG, § 78 ArbGG und § 577 ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache selbst Erfolg. Es kann dahin gestellt bleiben, wie ein sog. Au-pair-Verhältnis arbeitsrechtlich einzuordnen ist. Begrifflich kann ein solches Rechtsverhältnis nämlich nur dann bejaht werden, wenn sich beide Parteien eines solchen Verhältnisses „ebenbürtig, vollwertig” (so die Übersetzung der französischen Worte in die deutsche Sprache) gegenüberstehen. Dergleichen kann im vorliegenden Falle aber nicht angenommen werden. Denn der Vertrag der Parteien vom 17.7.1997 enthält sämtliche Elemente eines echten Arbeitsverhältnisses. Danach wurde eine echte Arbeitsleistung im Haushalt der Beklagten erwartet. Der Umfang der Arbeitszeit kam vor dem Hintergrund, dass zusätzlich zu 30 Wochenstunden noch abendliche Arbeitsleistungen und sogar Sonntagsarbeit anfielen, einem Vollzeitarbeitsverhältnis zumindest sehr nahe. Typisch für ein Arbeitsverhältnis ist es auch, dass die arbeitsfreie Zeit und der Urlaubsanspruch genau geregelt worden sind, wobei hier dahinstehen kann, ob diese Regelung arbeitsrechtlicher Überprüfung standhalten würde. Der Eigenart eines Arbeitsverhältnisses entsprach es des weiteren, dass die von der Beklagten zu erbringende, treffend als „Austausch” bezeichnete Gegenleistung aus Geld- und Sachleistungen von nicht geringer wirtschaftlicher Bedeutung bestanden hat. Dabei kommt es auf die Verwendung des Wortes „Taschengeld” für die Bezeichnung der Barleistung von 400,– DM nicht an. Ein echtes „Taschengeld” ist nämlich überhaupt keine Gegenleistung, sondern eine Geldzuwendung mit Unterhaltscharakter (ARG. §§ 1360 a, 1610 BGB), die allein deshalb erbracht wird, um dem Zuwendungsempfänger die Befriedigung privater Interessen zu ermöglichen. Hinzu kommt schließlich, dass die vorliegende Vertragsgestaltung die Zielsetzung eines echten Au-pair-Verhältnisses folgerichtig stark vernachlässigt hat. Für das Kennenlernen der deutschen Sprache und der Kultur des Gastlandes blieb nämlich in Anbetracht des zeitlichen Umfanges und der Art. der der Klägerin abverlangten Arbeitsleistungen kein nennenswerter Spielraum.

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhange, dass sich die vorgenannten Aspekte eines echten Au-pair-Verhältnisses auch bruchstückhaft lediglich in dem Wort „Sprachkurs” wiederfinden, mithin keinesfalls erkennbar so im Vordergrund gestanden haben, wie es für ein echtes Au-pair-Verhältnis kennzeichnend wäre. Dass der Vertrag der Parteien schließlich entgegen seinem Wortlaut tatsächlich im Sinne eines echten Au-pair-Verhältnisses praktiziert worden wäre, hat die Beklagte nicht dargetan. Es war somit wie erkannt zu entscheiden.

Die Kosten der Entscheidung trägt di...

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