keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratstätigkeit. Benachteiligung. Zahlungsklage. Rechtsanwaltskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem rechtswidrigen Lohneinbehalt oder einer nicht rechtmäßigen Abmahnung steht § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG einem auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützten Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 78 Satz 2 BetrVG auf Freistellung von den erstinstanzlichen Anwaltskosten nicht entgegen. Der auf die Funktionsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmung ausgerichtete Schutzzweck des § 78 Satz 2 BetrVG überwiegt gegenüber dem Normzweck des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten gering zu halten (Rechtsbeschwerde wg. Divergenz zu BAG Beschluss vom 30. Juni 1993 – 7 ABR 45/92 – zugelassen).

 

Normenkette

BetrVG § 78; ArbGG § 12a I 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.08.2007; Aktenzeichen 4 BV 47/07)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.01.2010; Aktenzeichen 7 ABR 68/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. August 2007 – 4 BV 47/07 – abgeändert:

Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1) von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten A und B aus der Rechnung vom 21. Dezember 2006 in Höhe von 676,86 EUR (in Worten: Sechshundertsechsundsiebzig und 86/100 Euro) freizustellen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 1) ist Betriebsratsmitglied und verlangt vom Arbeitgeber die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.

Die Beteiligten zu 1) und 2) stritten im Rechtsstreit 6/4 Ca 5371/06 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main um Vergütung für Zeiten, in denen der Beteiligte zu 1) Betriebsratsarbeit verrichtete und um die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Im Gütetermin vom 6. Nov. 2006 schlossen sie einen Vergleich, nachdem die Beklagte die Klageforderungen erfüllte (Bl. 4 d. A.). Damit sollte der Rechtsstreit erledigt sein. Ziff. 4 des Vergleiches lautet:

„Etwaige gerichtliche Auslagen werden zwischen den Parteien geteilt, ihre außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.”

Anschließend teilte das Gericht seine Absicht mit, den Gegenstandswert auf EUR 2.440,26 festzusetzen. Sein Prozessbevollmächtigter berechnete dem Beteiligten zu 1) mit Rechnung vom 21. Dez. 2006 (Bl. 5 d. A.) eine Anwaltsvergütung in Höhe von EUR 676,86 und übermittelte diese auch der Beteiligten zu 2) unter Hinweis darauf, sie sei gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zur Zahlung verpflichtet. Mit Schreiben vom 10. Jan. 2007 lehnte die Beteiligte zu 2) die Begleichung der Rechnung ab.

Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung gewesen, die Beteiligte zu 2) müsse ihn gemäß § 40 BetrVG von den Anwaltskosten freistellen, da die notwendige arbeitsgerichtliche Geltendmachung seiner individualrechtlichen Ansprüche durch seine Betriebsratstätigkeit veranlasst gewesen sei und nur durch Zuerkennung eines Freistellungsanspruchs eine Benachteiligung als Betriebsratsmitglied vermieden werden könne.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten A und B in Höhe von EUR 676,86 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) hat die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs im Beschlussverfahren für unzulässig gehalten und hat gemeint, die Sache sei in das Urteilsverfahren abzugeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 7. Aug. 2007 – 4 BV 47/07 – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Freistellungsanspruch des Beteiligten zu 1) bestünde nicht, da die Kosten wegen der arbeitsgerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis entstanden seien und ein Anspruch nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausgeschlossen sei. Das gelte auch für eine auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützte Lohnklage eines Betriebsratsmitglieds bzw., wenn die Klage auf Entfernung aus der Personalakte im Zusammenhang mit seiner Betriebsratstätigkeit stünde. Dies stelle keine Benachteiligung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG dar, da kein Arbeitnehmer unabhängig vom Anspruchsgrund im ersten Rechtszug Erstattung der Kosten für die Inanspruchnahme eines Prozessbevollmächtigten beanspruchen könne. Eine teleologische Reduktion des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG verbiete sich deshalb. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1) hat gegen diesen Beschluss, der ihm am 23. Aug. 2007 zugestellt worden ist, am 4. Sept. 2007 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese ebenfalls per Telefax am 22. Okt. 2007 begründet.

Der Beteiligte zu 1) verfolgt mit der Beschwerde seinen erstinstanzlichen Ant...

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